Schwerer Angriff:Gewalttat versetzt Nürnberg in Angst

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Im Stadtteil St. Johanni sticht ein Unbekannter offenbar willkürlich auf drei Frauen ein. Die Opfer werden lebensbedrohlich verletzt. Die Polizei sieht keinen terroristischen Hintergrund

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Eigentlich hat die Stadt Nürnberg geplant, am Freitagvormittag über die Ergebnisse einer Umfrage zu berichten: "Wie sicher fühlen sich die Bürgerinnen und Bürger?" Ermittelt in einer regelmäßigen Haushaltsbefragung vom städtischen Amt für Stadtforschung und Statistik. Doch die Pressekonferenz wird kurzfristig abgesagt. Denn am Morgen beherrscht ein Thema die Nachrichtenlage, das zumindest vorübergehend das Sicherheitsgefühl der Nürnberger erschüttert: Am Abend zuvor hat ein bislang Unbekannter offenbar willkürlich und völlig unvermittelt auf drei Frauen eingestochen. Sie waren alle jeweils allein im angesagten Stadtteil St. Johannis auf dem Weg nach Hause. Die Frauen wurden schwer verletzt und mussten notoperiert werden. Erst am Freitagvormittag kam die Entwarnung: Alle sind außer Lebensgefahr. Aber zwei der Opfer konnten noch nicht von der Polizei vernommen werden, und der Täter ist noch nicht gefasst. Die Polizei hat bisher keinen Hinweis auf einen terroristischen Hintergrund. "Wir ermitteln in alle Richtungen", hieß es am Freitag immer wieder. Raub und Beziehungstaten könnten aber ausgeschlossen werden.

Die Angriffe haben sich am Donnerstag zwischen 19 Uhr und 23 Uhr nur wenige Straßen voneinander entfernt ereignet, wobei zwischen der ersten Tat und den beiden folgenden mehr als drei Stunden vergingen. Die Polizei vermutet, dass es sich in allen drei Fällen um denselben Täter handelte. Um mehr Klarheit zu bekommen, haben Polizeibeamte am Freitag in der wegen ihrer vielen Altbauten beliebten Gegend nordwestlich der Altstadt an Türen geklopft, um weitere Zeugen zu finden und die Täterbeschreibungen des ersten Opfers zu konkretisieren. Gesucht wird nach einem 25 bis 30 Jahre altem Mann mit hellem Teint und dunkelblonden Haaren, der etwa 1,80 Meter groß und "von normaler Figur" ist.

Der Unbekannte hat um 19.20 Uhr eine 56-Jährige in den Oberkörper gestochen. Sie war allein an einer normalerweise belebten Straße unterwegs und konnte noch selbst den Notruf wählen. Laut ihrer Aussage hat sie der Täter angegriffen, ohne vorher etwas zu sagen. Wie oft der unbekannte Mann zugestochen hat und ob es ein Messer war, das die drei Opfer trotz dicker Winterkleidung so schwer verletzte, will die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. Sie spricht von einem "unbekannten Stichwerkzeug".

Bis 22.45 Uhr ging die Polizei von einer Einzeltat aus, dann wurde sie kurz hintereinander erneut alarmiert. Da war in der Nähe des Friedrich-Ebert-Platzes erst eine 26-jährige Frau angegriffen worden, kurz darauf eine 34-Jährige nur wenige Straßen weiter. Als klar war, dass hier ein Serientäter unterwegs sein könnte, hat die Polizei in der Nacht alle zur Verfügung stehenden Kräfte zusammengezogen und mit Hunden und Hubschrauber nach dem Täter gefahndet. Auf eine öffentliche Warnung, etwa über soziale Netzwerke, wurde offenbar bewusst verzichtet. Man habe nicht die ganze Stadt in Aufruhr versetzen wollen, sagte Polizeipräsident Roman Fertinger bei einer Pressekonferenz am Freitagmittag, weil man davon ausgegangen sei, dass sich die Gefahr auf St. Johannis beschränke. Dort habe man die Lage durch die hohen Polizeipräsenz im Griff gehabt.

Die Polizei vermutet offenbar, dass der Täter in dem Viertel wohnt. "Wir konzentrieren uns erst einmal auf diesen Stadtteil", sagte Fertinger. Laut Thilo Bachmann, dem Leitenden Kriminaldirektor des Polizeipräsidiums Mittelfranken, stehen bereits mehrere Personen im Fokus der Fahndung. Sie sollen nun überprüft werden. Dabei handle es sich zum einen um Männer, die schon einmal durch Straftaten aufgefallen sind. Außerdem wird nach einem Mann gesucht, der in der Nacht beim Anblick einer Polizeistreife in ein Gebäude floh und "auf den die Personenbeschreibung passte". Polizisten hätten ihn verfolgt, das Gebäude abgesperrt und eine Wohnung, in der Licht brannte, aufgebrochen. Dort habe sich aber niemand aufgehalten. Auch die Suche in Keller, Dachboden und Garagen blieb erfolglos. Kriminaldirektor Bachmann dämpfte dennoch die Erwartungen an einen schnellen Ermittlungserfolg: "Es spricht momentan nichts dafür, dass wir Ihnen in den nächsten zwei Stunden den Täter präsentieren können." Die Hinweise seien noch zu diffus.

An der Aufklärung arbeitet eine 40-köpfige Sonderkommission. Sie soll in den nächsten Tagen weitere Zeugenaussagen auswerten und herausfinden, wo der mutmaßliche Täter in der Zeit zwischen dem ersten Angriff und den Folgetaten war, und dazu Gaststätten und Spielhallen überprüfen. Noch am Freitagvormittag haben Polizeibeamte das Umfeld der Tatorte nach der möglichen Tatwaffe abgesucht.

Im Stadtteil St. Johannis und in der Nürnberger Innenstadt wurde die Polizeipräsenz verstärkt, um eine weitere Tat zu verhindern und das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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