Rosenheim:Stimmung im Keller

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Ein Rosenheimer Wirt lädt die AfD aus, während die Grünen munter Neujahr feiern dürfen. Das führt zu Tumulten

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Der Mail-Keller ist eine Art Stammlokal der Rosenheimer Politik, CSU und SPD veranstalten dort genauso manche Treffen wie die örtlichen Grünen, die am Mittwochabend im Mail-Keller ihren Neujahrsempfang gegeben haben und dabei Claudia Roth und Claudia Stamm zu Gast hatten. Die AfD jedoch muss inzwischen draußen bleiben, weshalb sie am Mittwoch ihre Parteijugend namens "Junge Alternative" (JA) zu einer Demonstration mit Trillerpfeifen vor die Tür des Mail-Kellers geschickt hat. Der Rosenheimer Kreisvorsitzende der AfD heißt Franz Bergmüller, ist zugleich Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands und hat damit gleichsam einen Mitgliedsbetrieb bestreiken lassen.

Der streitbare Bergmüller hatte sich 2010 als Vorsitzender des "Vereins zum Erhalt der Bayerischen Wirtshauskultur" gegen das kurz zuvor eingeführte Rauchverbot in Gaststätten ins Zeug gelegt, doch ein Volksentscheid war krachend gescheitert. Sein Zorn ist seither keineswegs verraucht, sondern bricht sich jetzt in der AfD Bahn und richtet sich gerade gegen die aus seiner Sicht absolut undemokratische lokalpolitische Aussperrung seiner Partei. Denn im Mail-Keller hatte zunächst eine Privatperson für ein Weißwurstessen reserviert, sagt Wirt Menderes Tümay. Erst ein Bekannter und bald danach die Grünen und die anderen Parteien hätten dann ihr Unbehagen darüber geäußert, dass für den Tag die AfD eine Veranstaltung in seinem Lokal ankündige. Tümay hat daraufhin bei dem Anrufer von damals - dem JA-Landesvorsitzenden - die Reservierung rückgängig gemacht. Dann nahm sich die JA im Internet der Sache an, und bald hagelte es auf Facebook Verrisse des Mail-Kellers, die teils in weit entfernten Gegenden der Republik verfasst wurden. Seither tobt als Stellvertreter-Debatte im Internet eine Art Rezensionsrennen zwischen den enttäuschten Rechten auf der einen Seite und auf der anderen vielen Linken, die Speisen und Service im Mail-Keller alle ausgesprochen gut finden. Die geschmacklichen Mehrheitsverhältnisse sind zu Tümays Freude ähnlich, wie sie es am Mittwochabend auch draußen vor der Türe waren.

Dort standen dem runden Dutzend rechter Demonstranten, unter ihnen zu Tümays Erstaunen einige inzwischen wohl ehemalige Stammgäste, drei- bis viermal so viele linke Demonstranten gegenüber, und dazwischen noch mehr Polizei. Die hat nach eigenen Angaben den Eindruck gewonnen, dass die JA sich zwar diszipliniert an Anweisungen halte, aber auch noch nicht viel Erfahrung im rechten Demonstrieren habe. Ein Mann hat an dem Abend trotz der Polizeipräsenz sogar den Hitlergruß gezeigt und wurde festgenommen, aber das war laut Polizei ein betrunkener Passant, der das im Rausch gerade für angebracht hielt. Franz Bergmüllers AfD wird im Mail-Keller wohl weiterhin dort bleiben müssen, wo seit langem auch die Raucher zum Rauchen hingehen: vor der Tür.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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