Reaktionen auf Freilassung:Große Koalition der Mollath-Befreier

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Die Mollath-Unterstützer haben ihr wichtigstes Ziel erreicht: Gustl Mollath ist frei.  (Foto: dpa)

Politiker aller Parteien reklamieren das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath als ihren Erfolg. Vor allem Justizministerin Beate Merk lobt sich selbst für den "entscheidenden Schritt". Ein Fall von "Geschichtsklitterung", findet die Opposition.

Von Sebastian Beck und Mike Szymanski

Mit Freude und Erleichterung haben bayerische Politiker aller großen Parteien am Dienstag auf die Freilassung Gustl Mollaths reagiert. "Ich glaube, am Ende könnte es zwei Gewinner geben: einen fairen Rechtsstaat und Gustl Mollath", sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). SPD-Spitzenkandidat Christian Ude erklärte, damit werde ein langjähriger bayerischer Justiz-Albtraum beendet, der das Ansehen des Rechtswesens beschädigt und viel Unbehagen und Misstrauen aufgetürmt habe.

"Sehr zufrieden" mit der Entscheidung zeigte sich Justizministerin Beate Merk (CSU). Sie war in den vergangenen Monaten auch in der eigenen Partei wegen ihrer großen Zurückhaltung in die Kritik geraten: "Mein Ziel, das ich mit der Wiederaufnahme und der sofortigen Beschwerde verfolgt habe, ist erreicht", erklärte Merk. Nun habe die Justiz in einem weiteren öffentlichen Verfahren die Gelegenheit zu klären, ob Mollath zu Recht in der Psychiatrie untergebracht ist oder nicht.

Die Freilassung Mollaths reklamierten sowohl Staatsregierung als auch Opposition als ihren Erfolg. Merk sagte, mit der Weisung an den Generalstaatsanwalt vom 30. November 2012, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen, habe sie den "entscheidenden Schritt" getan.

Von der Opposition wurde Merk jedoch abermals scharf angegriffen. Für die Freien Wähler fordert der Landtagsabgeordnete Florian Streibl ihre Entlassung. Andernfalls mache sich Seehofer mitschuldig an dem, was Mollath passiert sei. Schließlich habe Merk die Öffentlichkeit und den Landtag mehrmals falsch informiert.

Ude hielt ihr vor, sie betreibe "die verwegenste Geschichtsklitterung der letzten Jahre", wenn sie sich jetzt als Freiheitskämpferin für Mollath präsentieren wolle. Ähnlich äußerte sich auch Inge Aures, die stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Landtag: Schuld an der Hängepartie sei die Justizministerin, da sie viel zu lange die fragwürdige Unterbringung Mollaths kritiklos gedeckt habe, sagte Aures - und verwies auf die Arbeit der SPD im Untersuchungsausschuss: "Wir konnten einen Beitrag dazu leisten, dass Mollath Gerechtigkeit widerfahren ist."

Heftige Kritik übten auch die Grünen an Merk und Seehofer. Ihr Fraktionschef Martin Runge warf den beiden "unsägliches Pharisäertum" vor. Mit ihrer Strategie des Vertuschens und Lügens sei die Staatsregierung dafür mitverantwortlich, dass Gustl Mollath über so viele Jahre weggesperrt gewesen sei. Runge verlangte zudem, dass der Schaden, den Mollath erlitten habe, wieder gut gemacht werden müsse - und zwar nicht mit den "jämmerlichen Entschädigungszahlungen", die für zu Unrecht eingesperrte Menschen vorgesehen seien.

Zudem müsse endlich gegen die Banken wegen systematischer Mitwirkung an Steuerhinterziehung vorgegangen werden, forderte Runge. Er spielte damit auf die Einschätzung des Gerichts aus dem Jahr 2006 an, das Mollath ein paranoides Gedankensystem attestierte, weil er seiner Ex-Frau die Verwicklung in Schwarzgeldgeschäfte vorgeworfen hatte. Diese hatten sich jedoch bereits in einem internen Revisionsbericht der Hypo-Vereinsbank aus dem Jahr 2003 als wahr erwiesen.

Welchen Schaden das Ansehen der bayerischen Justiz durch den Fall Mollath genommen hat, darüber gingen die Meinungen auseinander: Der stellvertretende Ministerpräsident Martin Zeil (FDP) lobte die Entscheidung des Gerichts. "Sie zeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert." Die Vorgänge hätten bei vielen Bürgern ein ungutes Gefühl hinterlassen.

Ministerpräsident Seehofer schlug in seiner Stellungnahme abermals durchaus kritische Töne an: "Ich will, dass die Justiz schnell handelt und transparent. Dass sie ihr Tun, ihre Entscheidungen auch für Laien verständlich erklärt", sagte er. "Unsere Justiz hat ein hohes Ansehen, und sie sollte dieses Ansehen bewahren, indem sie die Anforderungen einer modernen, transparenten Gesellschaft erfüllt." Seehofer mahnte, Entscheidungen sollten künftig schneller getroffen werden, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei.

Grünen-Fraktionschef Runge sah dagegen einen massiven Schaden für das Ansehen der bayerischen Justiz und der Finanzbehörden. Im Verfahren gegen Gustl Mollath habe es krachende Rechtsfehler gegeben. Spitzenbeamte und Justizministerin Merk hätten versucht, Schieflagen, Fehler und Rechtsbrüche zu vertuschen: "Jetzt gilt es den ramponierten Ruf wiederherzustellen, was ein mühsames Unterfangen sein dürfte."

© SZ vom 07.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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