Radeln am Tegernsee:Geheimtipp für Genießer

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Wunderschön, aber von Touristen überlaufen: Stau und Lärm können den Sommerausflug zum malerischen Tegernsee schnell zur Geduldsprobe werden lassen. Dabei führt nur ein paar Kilometer entfernt eine einsame Tour in die wildromantische Valepp. Am Wildbach entlang zum Schliersee - ein Traum für Radler.

Michael Tibudd

Man wird das Tegernseer Tal nicht unbedingt als touristischen Geheimtipp bezeichnen können. Dazu ist es bei den ausländischen Besuchern zu bekannt: Nach Abstechern in München und zum Schloss Neuschwanstein nehmen sie gerne noch die Berglandschaft um Baumgartenschneid und Fockenstein mit; vor allem aber ist das Tal bei den Münchnern selbst beliebt, die es doch so nahe haben.

An Tegernsee, Valepp und Schliersee entlang geht es durch idyllische Hügellandschaften. Einzige Voraussetzung: ein funktionierendes Fahrrad. (Foto: SZ-Grafik)

An schönen Wochenenden jedenfalls quält sich Cabrio an Cabrio im Stau an den Seeufern entlang. Hier also soll man auch an solchen Tagen einen gemütlichen Ausflug machen können?

In der Tat, man kann. Die Radtour hinter in die Valepp, vom Tegernsee auf kaum befahrener Mautstraße hinauf zum Spitzingsee, ist nie überlaufen. Sie ist ein Klassiker unter Rennradfahrern, lässt sich dabei aber im Prinzip mit jedem Fahrrad machen, das eine ausreichend leichte Übersetzung bietet. Denn steil wird es auf dieser Runde schon.

Für den Start von Miesbach aus empfiehlt sich die Anreise mit der Bayerischen Oberlandbahn (BOB); der Weg vom Bahnhof aus bis ans Ufer der Mangfall ist der einzige etwas komplizierte Abschnitt dieser Runde, bei der man sonst selten weit vom nächsten Gewässer ist. Vom Miesbacher Bahnhof aus hält man sich südlich.

An dem, was folgt, lässt sich auch der immense Reichtum dieses Teils von Oberbayern erkennen: Die typische Haglandschaft mit ihren großen zusammenhängenden Weidewiesen bietet Rindern einerseits genügend Nahrung, andererseits spenden die Baumreihen auch Schatten an heißen Tagen; die Landwirtschaft lebte davon seit Jahrhunderten.

Heute ist die Haglandschaft allerdings in Gefahr, Heimatpfleger beklagen den Ausbau von Gewerbegebieten, sie fürchten eine allmähliche Zersiedelung. Der radelnde Ausflügler genießt indes noch wunderbare Ausblicke, die er zudem bestens erreichen kann, weil die kleinen Sträßchen allesamt asphaltiert sind. In ärmeren Gegenden führen solche Strecken oft über holprige Geröllpisten; hier kann man es dahinrollen lassen inmitten der Natur. Da ist es auch gar nicht schlimm, wenn man sich einmal verfährt. Ziel sollte schlicht die Mangfall sein, die man in westlicher Richtung ansteuert. Für die Details hilft nur das Studium einer Karte.

Hat man die Mangfall erst einmal erreicht, kann man ganz einfach nach Gmund weiterradeln und von dort aus flach am Seeufer entlang fahren. Alternative ist der Panoramaweg eine Etage höher, auf dem man sich an den Wegweisern zum Bodensee-Königssee-Radweg orientiert. Ein paar Kilometer lang bietet sich so ein schöner Blick über den Tegernsee. Der Preis ist, dass man erst einmal die paar Höhenmeter kernig bergauf radeln muss - ein Vorgeschmack auf das, was kommt.

Spätestens bei Sankt Quirin wird man an der Bundesstraße aber nicht vorbeikommen, die hier immerhin einen brauchbaren Radweg hat. Danach, in Tegernsee, kann man souverän lächelnd die Autofahrer im Stau passieren, ehe man in Rottach-Egern den Trubel hinter sich lässt. Halblinks geht es in die Ludwig-Thoma-Straße, die schon bald zur Valepper Straße wird - der Höhepunkt der Runde ist jetzt schon ziemlich nahe.

Die Mautstation bei Enterrottach können Radfahrer einfach passieren. An dieser Stelle sollte man sich schon auf eine ernstzunehmende Plackerei eingestellt haben. Auf den nächsten drei Kilometern sind immerhin 250 Höhenmeter zu überwinden, teilweise gibt es Steigungen von zwölf Prozent und mehr. Zur Rechten kann man dabei aber wenigstens stets auf das Wasser der plätschernden Rottach blicken. Man fährt jetzt an einem Gebirgsbach, was sehr schön ist, aber eben auch die eine oder andere steile Passage mit sich bringt.

Den Abzweig zum Wallberg ignoriert man und fährt links weiter zum Suttengebiet, wo man zur Abwechslung auch in den Sessellift Richtung Stümpfling steigen könnte. Dann freilich würde man sich nur unerträglich lange um den Lohn des Bergaufradelns bringen.

Was nun folgt, das dürfte eine der schönsten Strecken sein, die man überhaupt mit dem Rad auf Asphalt erreichen kann. Ein paar Höhenmeter geht es im Wald noch bergauf, ehe man die Passhöhe am Wechsel erreicht hat. Nun folgt der reine Genuss: Sanft und doch schön rasant geht es bergab, auf einem schmalen Sträßchen, an Almwiesen, Hütten und Verschlägen vorbei.

Das Gewässer zur Rechten heißt nun Weiße Valepp und fließt, den Gesetzen der Schwerkraft folgend, in Fahrtrichtung durch ein immer enger werdendes Tal. Irgendwann befindet man sich zwischen Felswänden, blickt hinauf und rauscht weiter dahin, die Nase im Fahrtwind, dabei nie so schnell, dass man sich vor der Geschwindigkeit fürchten müsste. Auf sieben Kilometern lässt sich hier unbeschwertes Radlerglück erleben. In den Kurven freilich ist Aufmerksamkeit gefragt, vor allem, weil hier jederzeit der Linienbus entgegenkommen könnte, der einige Male am Tag durch diese Schlucht fährt.

Nach einem kurzen Zwischenanstieg kommt man schließlich am Zusammenfluss der Weißen Valepp mit der Roten Valepp an, die weiter oben im Spitzinggebiet entspringt. Entkräftete nehmen rechts den wenige hundert Meter langen Abstecher zur Einkehr im Forsthaus Valepp; wer noch Körner hat, sollte diese gleich für den weiteren Anstieg zum Spitzingsee, entlang der Roten Valepp, verwenden.

Noch einmal also bergauf, etwas gemächlicher, aber nicht weniger schön als vorher schon. Kurz vor dem Spitzingsee bietet sich hundert Meter links vom Weg eine ausgedehnte Pause an der Albert-Link-Hütte an.

Der karamellisierte Kaiserschmarrn dort hat einen ausgezeichneten Ruf. An dieser Stelle kann man dann auch mächtig stolz auf sich sein, hat man doch alles in allem schon an die 1000 Höhenmeter bewältigt. Viele sind es nicht mehr, ein paar bis zum Spitzingsee, an dem man rechts vorbeifährt. Weitere 50 warten auf dem letzten Stück bis zum Spitzingsattel, mit 1129 Metern über dem Meer die höchste Stelle dieser Runde.

Es folgt eine wirklich schnelle Abfahrt - die Spitzingstraße Richtung Neuhaus ist gut ausgebaut, hat kaum Kurven und ist ziemlich steil. Ängstliche bremsen lieber etwas mehr (besser vereinzelt stark als permanent leicht, die Bremsen können sonst überhitzen); wer ein gutes Fahrrad hat, dem er vertraut, kann hier auch mit Geschwindigkeiten um die 80 Stundenkilometer sicher ins Tal rauschen. "Höhenmeter vernichten" nennen Radfahrer diese Übung.

Wer genug hat von den Mühen, radelt unten vor der Bundesstraße den gemütlicher Radweg entlang nach Neuhaus, wo die BOB im Stundentakt Erschöpfte einsammelt. Dann würde man natürlich das gemächliche Ausrollen links des Schliersees versäumen, in dem sich auch noch eine Runde schwimmen lässt.

Komplett ist die Rundtour außerdem erst, wenn man es zum Ausgangsort zurück schafft, was jetzt sehr einfach ist. Die Schlierach dient zur Orientierung auf diesem Abschnitt, der Weg nach Miesbach auf Nebenstraßen für Radfahrer ist dazu extra ausgeschildert. So passiert man Hausham und Agatharied, ehe man nach gut 60 Kilometern in Miesbach ankommt. Müde und glücklich.

© SZ vom 04.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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