Offener Brief:Tränen bei der Übergabe

Personalräte beklagen massive Personalnot und Missstände in den mittelfränkischen Bezirkskliniken - der Vorwurf trifft den umstrittenen Vorstand Nawratil

Von Uwe Ritzer, Ansbach

Aus dem Streit um die Amtsführung von Helmut Nawratil, Vorstand der Bezirkskliniken Mittelfranken, hält sich der Personalrat der 3000 Beschäftigten zählenden Klinikfirma bislang heraus, zumindest öffentlich. Am Mittwoch jedoch verschickte die Mitarbeitervertretung am Kliniksitz in Ansbach ein brisantes Schreiben. Darin ist von angeblichen Missständen in der Pflege und Betreuung psychisch kranker Menschen die Rede, die auf zu wenig Personal zurückzuführen seien. Vor allem Ärzte und Pflegepersonal seien betroffen. Die Klinikspitze wisse davon, tue aber nichts um Abhilfe zu schaffen.

Der offene Brief, welcher der SZ vorliegt, richtet sich an Nawratil und Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratschef der Bezirkskliniken. Er gipfelt in dem Vorwurf, die "Unternehmensleitung" lasse die Beschäftigten im Stich und sei für Personalnotstände in manchen Bereichen der Klinik verantwortlich.

Für Nawratil und Bartsch kommen die Vorwürfe zur Unzeit. Nehmen der Bezirkstagspräsident und seine CSU-Kollegen den wegen seines Geschäftsgebarens und seiner Menschenführung umstrittenen Nawratil doch vor allem mit dem Argument in Schutz, ihm seien die Millionenüberschüsse zu verdanken, welche die Klinik jedes Jahr erwirtschafte. Nach Lesart von Personalräten handelt es sich dabei offenkundig um Gewinne auf Kosten von Beschäftigten und letztlich von Patienten.

"Mitarbeiter, die weinend in Übergaben sitzen, sowie eine Zunahme der Krankheitsausfälle gehören mittlerweile zum Alltag und der Satz "Ich kann nicht mehr" ist immer häufiger zuhören", steht in dem offenen Brief, den der Ansbacher Personalrat auch an alle Beschäftigten und die Verwaltungsräte verschickt hat. Während die Unternehmensleitung Preise für angebliche Familienfreundlichkeit und ihr Marketing einheimse, sei "in den Klinikbereichen das Limit erreicht", heißt es.

Die Sprecherin der Bezirkskliniken wollte die Vorwürfe auf Anfrage nicht kommentieren. Nachdem Vorstand Nawratil nicht im Dienst ist, werde sein Stellvertreter "umgehend das Gespräch mit dem Personalrat suchen und die Dinge im direkten Gespräch und nicht über die Medien besprechen", sagte sie.

Der Personalrat beklagt aus seiner Sicht unverantwortliche Zustände. Speziell in der Aufnahmestation der Ansbacher Akutpsychiatrie sei es vorgekommen, dass zwei examinierte Pflegekräfte mit einer jungen Frau, die gerade lediglich ein Freiwilliges Soziales Jahr ableistete, allein Dienst hätten tun müssen. Und zwar während die 24-Betten-Station mit zwei zusätzlichen Patienten überbelegt gewesen sei. Zwei Fachkräfte und eine FSJ-Hilfe könnten jedoch nicht so viele psychisch kranke Patienten gleichzeitig betreuen, von denen "etliche in akuten Krisen sind und immer öfter auch zu Gewaltausbrüchen (verbal und körperlich) neigen", heißt es in dem Brief.

Der Personalrat konstatiert einen "Rückfall in die Verwahrpsychiatrie" und beklagt "seit Jahren bestehende, schlechte, inakzeptable Rahmenbedingungen", unter denen eine "adäquate Versorgung und Behandlung der Patienten" nicht mehr möglich sei. Bereits im Januar hatte der Personalrat Nawratil auf die "extrem angespannte Personaldecke" und den hohen Krankenstand hingewiesen. Der reagierte damals mit dem Hinweis auf gesetzliche Rahmenbedingungen, "auf die wir keinen Einfluss haben". Dennoch seien viele Maßnahmen umgesetzt worden, "die zur spürbaren Entlastung" des Personals führen würden. So sei für bestimmte Aufnahmestationen ein Sicherheitsdienst engagiert worden, um das Personal vor Übergriffen zu schützen.

Entlassmanagement und Dienstplangestaltung seien verbessert worden und man schaffe zusätzliche Stellen. "Wir sind jedoch davon überzeugt, dass zusätzliche Arbeitskräfte nicht das Problem lösen, sondern dass es wichtig ist, mit zielgerichteten Maßnahmen die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen", so Nawratil damals.

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