Nürnberg:Tödliches Ende einer Oldtimer-Fahrt

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Ein Nürnberger Professor stirbt bei einem Verkehrsunfall mit dem Oldtimer "Viktoria". Bei der Rekonstruktion des ersten Elektroautos versagten die Bremsen.

Olaf Przybilla

Am Tag danach hängt der Zettel noch an der Tür des Lehrstuhls für Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte in Nürnberg. "Das Sekretariat ist am 21.und 22. Juni wegen einer Lehrstuhlexkursion nicht geöffnet", steht da.

Mit der "Viktoria", dem ersten Elektroauto aus dem Hause Siemens, wurden vom Jahr 1905 an Hotelgäste durch Berlin chauffiert. (Foto: ap)

Auf einem Anschlag im Gang gegenüber teilt Lehrstuhlinhaber Wilfried Feldenkirchen mit, was genau geplant ist auf der Bildungsreise. Im Dreiländereck zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland will der Professor den Studenten eine Uhren-Manufaktur in Schaffhausen zeigen. Später offenbar hat sich Feldenkirchen entschieden, auch jene Werkstatt im Schwarzwaldort Hinterzarten zu besuchen, in der die "Elektrische Viktoria" nachgebaut worden ist, das erste Elektroauto aus dem Hause Siemens. Feldenkirchen hatte die Rekonstruktion wissenschaftlich begleitet. Am Montag ist der Professor auf einer Probefahrt mit der Elektrischen tödlich verunglückt.

Von der Werkstatt aus hatte Feldenkirchen, 62, den Wagen in Richtung einer Kreisstraße gelenkt. Neben ihm hatte ein wissenschaftlicher Mitarbeiter Platz genommen, auf dem Rücksitz drängten sich drei Studenten.

Abschüssige Straße

Nach kaum mehr als 500 Metern bog der Wagen auf abschüssiger Straße in eine scharfe Rechtskurve ein. Offenbar konnte die Viktoria nicht mehr gebremst werden und prallte mit voller Wucht auf eine Böschung. Feldenkirchen wurde über die Kühlerhaube geschleudert und starb noch am Unfallort. Ein Student musste auf der Intensivstation versorgt werden, auch die weiteren Insassen verletzten sich zum Teil schwer.

Im August 2009 hatte Siemens einem Karosseriebauer aus dem Hochschwarzwald den Auftrag gegeben, die Viktoria nachzubauen. Mit dem Stadtwagen waren in Berlin seit 1905 Hotelgäste chauffiert worden, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde. Die Werkstatt sollte alles originalgetreu rekonstruieren, auch die Bremsen. Diesen Nachbau der "Viktoria offen, Stadtwagen Typ B" hatte Feldenkirchen in die Wege geleitet.

Überlastete Bremsen und keine Gurte

Der Wirtschaftshistoriker der Universität Erlangen-Nürnberg hatte auch das Siemens-Archiv wissenschaftlich erschlossen. "Er hat den Weg des Unternehmens eng begleitet und die Geschichte des Hauses beleuchtet", sagt Siemens-Chef Peter Löscher.

Das Elektroauto war bei besonderen Anlässen im Einsatz. Beim Elektromobilitätsgipfel der Bundesregierung im Mai steuerte Feldenkirchen den Wagen durch Berlin, auch die Kanzlerin war zugegen. Später war der Oldtimer-Nachbau auf der Expo in Shanghai zu sehen. Und an diesem Mittwoch wollten Siemens-Chef Löscher und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude den Wagen am Wittelsbacherplatz in München präsentieren. Auch eine Probefahrt sollte auf dem Programm stehen. Danach sollte die Viktoria zur Fußball-WM nach Südafrika verfrachtet werden - und dort auf der ehemaligen Grand-Prix-Strecke Kyalami tuckern. Die Termine wurden abgesagt.

Über die Gründe des Unfalls ist noch nicht viel bekannt. Der TÜV hatte den Wagen zugelassen. Möglicherweise waren die nach historischen Plänen konstruierten Bremsen überlastet, auf der abschüssigen Stecke und durch das Gewicht von fünf Erwachsenen. Mit Gurten war die Viktoria nach Angaben der Polizeidirektion Freiburg nicht ausgestattet. Der Wagen wurde beschlagnahmt, er soll nun technisch untersucht werden.

Vor dem Sekretariat der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Nürnberg hängt ein Auszug aus einer Biographie über Werner von Siemens. Geschrieben hat das Buch Wilfried Feldenkirchen. "Er war ein großartiger Kollege", sagt Prodekan Michael Amberg, "einer, der für seine Studenten gelebt hat."

© SZ vom 23.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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