Neuordnung der CSU:Patt der Thronfolger

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Konstituierende Sitzung der CSU: die potenziellen Thronfolger Ilse Aigner und Markus Söder. (Foto: dpa)

CSU-Chef Seehofer hat seine Partei schon am Tag nach der Bundestagswahl bei einem Treffen mit Ilse Aigner und Markus Söder neu aufgestellt, wie sich nun herausstellt. Wie es zum vorläufigen Patt der Thronfolger und zum Fraktionsvorsitz von Thomas Kreuzer kam.

Von Frank Müller

Es gab ganz viele Vier-Augen-Gespräche, es gab Runden im größeren Kreis, immer ging es um die Frage: Wer wird was im Kabinett Seehofer II und drumherum in der CSU. Und dann gab es da noch ein Sechs-Augen-Gespräch, das war vielleicht das wichtigste von allen: Geschlagene fünf Stunden saßen Horst Seehofer, Ilse Aigner und Markus Söder in der Staatskanzlei zusammen - ein Gipfel des obersten Chefs mit seinen zwei Neben-Chefs. Kaum einer wusste bislang von dem Treffen, Seehofer verkündet es selbst, eher am Rande, als er am Mittwoch vor der CSU-Fraktion im Landtag steht und eigentlich deren soeben neu gewählten Chef Thomas Kreuzer vorstellen will. Seehofer sagt ein paar vielsagende Sätze über den Dreiergipfel: "Über die nächsten Jahre", habe man sich ausgetauscht. Also über alles.

Wie wichtig Seehofer das war, zeigt schon der Termin: Es war der Montagabend nach der Bundestagswahl, nur 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale. Danach war dann alles anders, das Treffen hatte erkennbar den Weg geebnet für die Neuaufstellung der Partei, die Seehofer so wichtig ist. Danach hatte Ilse Aigner plötzlich kein so großes Interesse mehr an der Übernahme des angeblich für die Seehofer-Nachfolge so vorentscheidenden Fraktionsvorsitzes. Söder ließ schon vor dem Gespräch durchblicken, es gebe wichtigere Posten. Finanzminister zum Beispiel, eine Aufgabe, für die nur die Besten infrage kommen. So kam es zu dem vorläufigen Patt: Vorteil für niemanden, Aufschlag Kreuzer. Seehofer selbst präsentiert ihn der Fraktion, er bekommt sehr gute 96 von 99 Stimmen. Seehofer, Söder, Aigner, Kreuzer stellen sich danach demonstrativ ganz eng zusammen vor den Fraktionssaal. "Kein Blatt" passe zwischen sie, sagt Söder und muss selbst lächeln.

Hat Seehofer den Verzicht von Aigner und Söder erzwungen, hat er sich den Ausfall einer Kampfabstimmung erkauft? Der Ministerpräsident winkt ab, das sei nicht nötig gewesen. "Das sind Profis", sagt er. "Das ist so super." Profis muss man zu nichts zwingen, ihnen höchstens vielleicht die Lage erklären. "Ich arbeite mit der Macht der Argumente und nicht mit dem Argument der Macht", philosophiert Seehofer. Und als er zwischendrin darum bittet, "diese Positionskämpfe mit geringerem Lärmpegel" zu führen, da meint er nicht die eigenen Leute. Sondern die Fernsehteams vor ihm. Der Parteichef hat erkennbar Oberwasser. Zwei schöne Wahlergebnisse im Rücken, eine Neuaufstellung, die zumindest in Teil eins ohne große Nebengeräusche funktioniert hat.

Die Variante Kreuzer hatte Seehofer schon recht früh erwogen, lange vor der Wahl. Als "Allzweckwaffe" lobt er ihn. Am wichtigsten wurde Kreuzer für Seehofer vielleicht in diesem Sommer, daran erinnert der Parteichef gar nicht bei der Aufzählung seiner Verdienste. Kreuzer exekutierte Seehofers Willen bei der Aufarbeitung der Verwandtenaffäre in der Fraktion und erzwang dort Rücktritte. Praktisch war er damals schon deren Chef.

Ministerpräsident Horst Seehofer mit seinem neuen CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. (Foto: dpa)

Kontrolle der Regierung, deren Unterstützung und neue Ideen, erwünscht sich Seehofer nun von Kreuzer. Der sichert genau dieses zu. Auch Barbara Stamm gehört zu Phase eins von Seehofers Plan. Sie wird wieder Landtagspräsidentin, die CSU nominiert sie mit nicht ganz so gutem Ergebnis wie Kreuzer - das dürften die Schleifspuren ihrer teils umstrittenen Aufarbeitung der Verwandtenaffäre sein. Damit seien "alle bayerischen Stämme" schon einmal vertreten, freut sich der Altbayer Seehofer. Er, der Schwabe Kreuzer, die Fränkin Stamm.

In einer Woche muss auch Teil zwei der Neuaufstellung über die Bühne gegangen sein: die Vergabe der Posten für die Ministerien, die der Regierungschef gerade neu zuschneidet. Wenn Seehofer das vergleichbar unfallfrei bewältigt, wird man ihm einen gelungenen Start in die Amtsperiode bescheinigen. Entschlossen scheint er jedenfalls zu sein, den Dualismus Söder - Aigner weiter auf Augenhöhe am Köcheln zu erhalten. Beide bekämen "deutlich aufgewertete" Ressorts, kündigt Seehofer an, er wisse schon, wie diese aussehen. Im Fall Aigner wird dies vermutlich ein um die Energiepolitik aufgebohrtes Wirtschaftsministerium sein. Was Söder zum klassischen Finanzbereich dazubekommt, bleibt offen. Erbeten hatte er sich die Kompetenzen für die Digitalisierung. Die liegen bisher ausgerechnet im Wirtschaftsressort. Immer wieder im Gespräch sind noch weitere "Super-Ministerien", etwa eine Zusammenführung von Schule und Hochschule wie früher üblich. Um die anderen Posten gibt es ein Führungsgespräch nach dem anderen. Er sei damit noch immer nicht fertig, sagt Seehofer.

Auch die Noch-Minister rätseln. "Ich kann nichts sagen, weil ich nichts weiß", sagt ein Kabinettsmitglied. Am nächsten Dienstag wird Seehofer selbst vom Landtag gewählt. Mindestens bis dahin wird er seine Liste für sich behalten - schon um keine Gegenstimmen von Enttäuschten zu riskieren. Danach geht es Schlag auf Schlag. Schon am Donnerstag wird das neue Kabinett vereidigt.

© SZ vom 04.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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