Nach Verwandtenaffäre:Wie sich der Landtag maßregelt

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Mitglieder des Bayerischen Landtags sitzen zwischen zahlreichen leeren Stühlen. (Foto: dpa)

Weg mit den lieben Verwandten, den schönen Zulagen und dem Verdienst nebenbei: Mit einer Fülle von Neuregelungen versucht der Landtag jetzt einen Schlussstrich unter die Verwandtenaffäre zu ziehen. Was sich ändern soll - ein Überblick.

Von Frank Müller

Es ist der passende Schlusspunkt nach mehreren Monaten der Belastung durch Affären: Drei Tage lang tagt das Landtagsplenum zum Abschluss der Legislaturperiode in dieser Woche am Stück - es ist vor allem Selbstbeschäftigung. Mit einer Fülle von Neuregelungen versucht der Landtag die Konsequenzen aus der Verwandtenaffäre zu ziehen. Am Dienstag beschließt das Plenum einige Reformen, andere sind schon in Kraft, weitere folgen noch. Hier ein Überblick über den Stand der Selbstreinigung:

Die lieben Verwandten

Mit Abgeordneten, die Frauen und Kinder auf Staatskosten beschäftigen, obwohl das eigentlich seit dem Jahr 2000 verboten ist, hatte die große Vertrauenskrise im Landtag begonnen. Entsprechend weit oben auf der Prioritätenliste war die Beseitigung dieser Zustände. Im Eilverfahren verschaffte sich der Landtag die bundesweit strengsten Verwandtschaftsregelungen, sie sind bereits in Kraft.

Bayerischen Parlamentariern ist es mittlerweile verboten, eigene Angehörige bis zum vierten Grad zu beschäftigen. Und die Ehefrauen und Kinder, die zuletzt vorwiegend CSU-Abgeordnete noch beschäftigt hatten, sind alle entlassen. Sogar Angehörige anderer Parlamentarier dürfen nun (bis zum dritten Grad) auf Staatskosten nicht mehr angestellt werden.

Das sorgt mittlerweile im Landtag für viele Witzchen, wer eigentlich womöglich um wieviele Ecken mit wem verwandt sein könnte. Und das Landtagsamt begann mit der Befragung von Mitarbeitern über deren Verwandtschaftsverhältnisse. Künftig übernimmt der Landtag selbst die Gehaltsabrechnung der Abgeordnetenmitarbeiter, die nur noch in zwei Gehaltsklassen beschäftigt werden dürfen.

Die schönen Zulagen

Mit Grunddiät und Zusatzpauschale für alle anfallenden Spesen erhalten Landtagsabgeordnete derzeit 10.526 Euro monatlich. Doch wer besondere Funktionen in der jeweiligen Fraktion übernimmt, kann noch aufstocken. Bislang galt im Landtag das ungeschriebene Gesetz: Je weniger eine Fraktion über solche Zulagen erzählt, desto umfassender fallen sie aus.

Bei der CSU wurden angefangen vom Fraktionschef bis hinunter zum Arbeitskreisleitenden bislang drei-, vier- und fünfstellige Summen monatlich extrabezahlt, ohne dass darüber geredet wurde. Die Grünen dagegen sprachen sehr gern darüber, dass sie nur ihre beiden Fraktionschefs und die Geschäftsführerin mit sparsamen 850 Euro monatlich abspeisten.

Inzwischen hat auch die CSU unter dem Druck ihrer neuen Übergangs-Fraktionschefin Christa Stewens Sätze und Umfang der Sonderzahlungen deutlich reduziert. Die CSU ist aber trotzdem noch großzügigster Arbeitgeber im Landtag. Dabei soll es auch bleiben.

Im Plenum lehnten CSU und FDP am Dienstag Vorstöße der Grünen und der Freien Wähler ab, feste Obergrenzen einzuziehen oder den Kreis der Begünstigten zu beschränken. Immerhin: Künftig gibt es klare Regelungen: Alle Zahlungen werden klar erkennbar veröffentlicht.

Die Frage, ob Abgeordnete private Spenden annehmen dürfen, blieb bis zuletzt umkämpft. CSU und FDP wollen sie zulässig lassen, auch wenn Stewens unwohl dabei wäre, Bargeld entgegen zu nehmen. Andererseits wolle sie einen Bürger am Infostand, der eine kleine Spende anbietet, nicht vor den Kopf stoßen.

Doch für SPD-Fraktionsvize Volkmar Halbleib ist damit die Tür zur unerlaubten finanziellen Zuwendung weit offen. "Da liegt der Verdacht von Bestechung und Bestechlichkeit gefährlich nahe", sagt auch Grünen-Fraktionschefin Bause.

Die neuen Regeln, die CSU und FDP durchsetzen, machen eine relativ große Grauzone auf. So dürfen Abgeordnete künftig eigentlich keinerlei Zahlungen und geldwerte Vorteile von Dritten annehmen, wenn mit ihnen erkennbar auf das Mandat und das Abstimmungsverhalten Einfluss genommen werden soll. Verboten sind andererseits auch Zahlungen, für die es überhaupt keine Gegenleistung gibt.

Der Verdienst nebenbei

Legal bleibt es, wenn ein Abgeordneter nebenher Geld verdient, sofern klare Aufträge und Leistungen auf dem Tisch liegen. An der Frage, wie solche Einkünfte transparent gemacht werden sollen, scheiden sich aber die Geister. Vorgesehen ist nun, in der neuen Legislaturperiode das System des Bundestags zu übernehmen. Abgeordnete müssen Nebenverdienste demnach nicht genau aufschlüsseln, sondern je nach Höhe in ein Zehn-Stufen-System eingruppieren.

Die Opposition wollte dagegen, dass alles auf Euro und Cent aufgeschlüsselt veröffentlicht werden muss. SPD, Freie Wähler und Grüne hatten sich vor allem daran gestört, dass die höchste Stufe bei einem Jahreszusatzverdienst von 250.000 Euro beginnt. Da wisse künftig keiner: "Sind es nun 250.000, sind es 500.000 oder 2,5 Millionen?", moniert SPD-Mann Halbleib.

Zu einer einheitlichen Linie finden die fünf Fraktionen jedenfalls nicht. Stewens lobt die neue Transparenz - nur durch sie könne Vertrauen entstehen, sagt sie. Auch FDP-Fraktionschef Thomas Hacker spricht von einem "guten Schritt". Florian Streibl (Freie Wähler) sagt: "Das ist im Grund genommen alles mit heißer Nadel gestrickt worden." Und auch Halbleib sieht "viele völlig offene Fragen".

Und Schärfe bringt noch einmal Bause in die Debatte. "Sie haben die Chance auf einen Neuanfang vertan", sagt sie zur CSU. Die Fraktion sei mitverantwortlich dafür, dass ihr früherer Fraktionschef Georg Schmid im Mittelpunkt des Skandals stand: "Sie haben seine beispiellose Raffgier jahrelang unterstützt und abgenickt."

© SZ vom 17.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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