Nach Übergriffen im Flüchtlingsheim:Brutaler Wachmann erhält gutes Führungszeugnis

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Mit dem Fuß auf dem Kopf eines Flüchlings posierte Wachmann H. auf einem Foto. Der Fall sorgte bundesweit für Empörung. Nur das Ordnungsamt Nürnberg hat offenbar nichts mitbekommen - und dem Mann Tage nach Bekanntwerden der Misshandlungen ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Von Bernd Dörries und Uwe Ritzer

Das Foto ist ein Dokument der Demütigung: Stolz posiert Wachmann Markus H., 30, mit einem Fuß auf dem Kopf eines algerischen Flüchtlings, der hilflos gefesselt auf dem Boden einer Asylbewerberunterkunft im nordrhein-westfälischen Burbach liegt. Die Aufnahme empört seit Ende September die Öffentlichkeit. Nur im Ordnungsamt der Stadt Nürnberg scheint sie niemandem aufgefallen zu sein. Denn Tage nach Bekanntwerden der Vorgänge attestierte die Behörde Markus H. die Vertrauenswürdigkeit.

"Nach Abwägung aller Gesichtspunkte betrachten wir Herrn H. als zuverlässig", beschied das Ordnungsamt am 2. Oktober 2014 dem Arbeitgeber des Wachmannes, der Nürnberger Firma SKI Wach- und Sicherheitsgesellschaft. Das entsprechende Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Ihm ging die gewerberechtliche Überprüfung des Wachmannes voraus. Dabei hatte die Behörde wenig zu beanstanden. Schließlich habe ihr ein "unbeschränktes Führungszeugnis" über Markus H. vorgelegen.

Kontrollen bringen wenig

Der Fall zeigt, dass alle Kontrollen der Sicherheitsdienste und ihrer Mitarbeiter nichts bringen, wenn nicht richtig kontrolliert wird. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger hatte als Konsequenz aus den Verfällen angekündigt, die Sicherheitsdienste von Polizei und Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Nach jetzigen Stand muss man aber wohl sagen: Markus H. könnte wahrscheinlich weiter als Sicherheitsmann in Flüchtlingsheimen arbeiten. Obwohl es dieses abscheuliche Foto von ihm gibt.

Übergriffe auf Asylbewerber
:NRW zieht European Homecare aus Flüchtlingsheim ab

Nach den Übergriffen auf Asylbewerber in Burbach weitet die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aus. Ins Visier geraten leitende Angestellte des privaten Betreibers European Homecare, die von einem "Problemzimmer" gewusst haben sollen. NRW-Innenminister Jäger reagiert.

Kleinere Zweifel beschlichen das Ordnungsamt lediglich wegen "dreier kleinerer Delikte", so eine Behördensprecherin, deretwegen der Wachmann in der Vergangenheit zu Geldstrafen verurteilt worden war. Daher seien "Bedenken gegen seine Beschäftigung als Wachperson nicht vollständig ausgeräumt", heißt es in dem amtlichen Schreiben. Es reiche aber, wenn Markus H. im Oktober 2015 noch einmal ein unbeschränktes Führungszeugnis beantrage. "Nach Abwägung aller Gesichtspunkte betrachten wir Herrn H. als zuverlässig", befand das Ordnungsamt. Die Vorgänge in Burbach spielten bei dieser Beurteilung offenbar keine Rolle, obwohl der Name und die Rolle von Markus H. bei den Übergriffen in dem Flüchtlingsheim bereits seit Tagen bekannt waren.

"Nie eine Information über die vollständigen Namen"

"Äußerst unglücklich" nennt nun eine Sprecherin des Nürnberger Ordnungsamtes den Vorgang. Die Ereignisse hätten sich zeitlich überschnitten. Bereits Anfang August habe man auf Betreiben der Firma SKI das Prüfungsverfahren eingeleitet, das die Gewerbeordnung für Wachleute vorschreibt. Bis zuletzt habe es "keinen Anlass gegeben, der die Unzuverlässigkeit von Herrn H. begründen würde", so die Behördensprecherin. Die Vorgänge in Burbach habe man zwar mitbekommen, "aber wir hatten nie eine Information über die vollständigen Namen" der Männer, die dort Flüchtlinge misshandelt haben sollen. Nun werde man die Zuverlässigkeitsbescheinigung für Markus H. "unverzüglich widerrufen."

Die Firma SKI ist mittlerweile nicht mehr für die Flüchtlingsheime in Nordrhein-Westfalen zuständig. Die Nürnberger waren Subunternehmer für European Homecare, dem Betreiber der Unterkünfte, die mittlerweile in die Zuständigkeit des Roten Kreuzes übergegangen sind. Alle unbelasteten Mitarbeiter wurden aber übernommen.

Auch an der nächsten Firma gibt es Zweifel

Für die Sicherheit verantwortlich ist mittlerweile die Firma Stölting Service aus Gelsenkirchen. Auch an ihr gibt es bereits Zweifel. Laut den Vorgaben des Innenministeriums soll jeder Sicherheitsdienst in den Flüchtlingsheimen Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) sein. Auf Stölting trifft dies jedoch nicht zu.

Warum die Firma nicht in den Verband aufgenommen wurde, ob sie überhaupt Mitglied werden wollte, will der BDSW nicht sagen, aus datenschutzrechtlichen Gründen. Mittlerweile soll es aber einen Antrag auf Aufnahme geben. So lange werden die Sicherheitsleute von der Firma S.E.T. gestellt, die wiederum zu Stölting gehört und Mitglied im Bundesverband ist. Es klingt alles sehr nach Verträgen mit Subunternehmen, die man eigentlich verhindern wollte.

© SZ vom 11.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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