Nach Rettung aus der Riesending-Höhle:Forscher geht es besser als erwartet

Lesezeit: 2 min

Einen Tag nach der Rettung von Johann W. aus der Riesending-Schachthöhle geben die Ärzte der Unfallklinik Murnau Entwarnung. Der Höhlenforscher werde weitgehend genesen, darauf deute schon sein Desinteresse an der WM hin.

Johann W. weiß, dass in Brasilien gerade eine Fußballweltmeisterschaft stattfindet. Und er weiß, dass ihn das eigentlich gar nicht interessiert. Das seien gute Nachrichten, zeigten sie doch, dass W. trotz seines Schädel-Hirn-Traumas noch in der Lage ist, differenzierte Aussagen zu treffen. Der am Donnerstag aus der Riesending-Schachthöhle befreite Forscher befindet sich nach Angaben der behandelnden Ärzte angesichts der hinter ihm liegenden Strapazen in einem "hervorragenden Zustand". Es sei eine "weitgehende Wiederherstellung" des Patienten zu erwarten, sagte der ärztliche Direktor der Unfallklinik im bayerischen Murnau, Volker Bühren, am Freitag vor Journalisten.

Der 52 Jahre alte W. liegt derzeit auf der Intensivstation des Krankenhauses. Er war direkt nach seiner spektakulären Rettung aus der Höhle dorthin gebracht worden.

Auf der Pressekonferenz berichteten die Ärzte, bereits während der Bergung in die Einsatzleitung eingebunden gewesen zu sein. Der Krankheitsverlauf bei dem verletzten W. hätte trotz der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten in der Höhle und der sehr belastenden Rettung auch auf einer Intensivstation nicht besser sein können, sagte Bühren. Das sei so etwas wie ein "kleines Wunder".

Den Angaben der Mediziner zufolge erlitt W. bei seinem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma mit einer Hirnblutung, was Auswirkungen auf seine motorischen Fähigkeiten hat. Das sei aber nur auf die Schwellungen zurückzuführen, in der betroffenen Hirnregion sei nichts zerstört, betonte Bühren. "Das wird sich mit der Zeit deutlich bessern."

Ärzte präsentieren Videoclip des Patienten

Sein Denkvermögen sei intakt. Er formuliere komplizierte Sätze, zudem sei er nach seiner Einlieferung gut orientiert gewesen. "Er wusste, dass Fußballweltmeisterschaft ist", sagte Bühren, interessiere sich allerdings nicht für Fußball: "Die Ergebnisse wollte er nicht wissen."

Spektakuläre Höhlenrettung
:Raus aus dem Riesending

Elf Tage nach dem Unglück erreicht die Trage mit dem schwer verletzten Höhlenforscher das Tageslicht. Allein der Transport dauerte sechs Tage - bei ständiger Lebensgefahr für alle Beteiligten. Doch dann haben selbst starke Männer Tränen in den Augen.

Von Sarah Kanning

Die Ärzte präsentierten am Freitag auch einen kurzen Videoclip mit dem Verletzten, auf dem dieser einige Sätze sagte. Diese waren aber nicht zu verstehen. Bühren zufolge lag das an den motorischen Problemen. W. erlitt durch den Steinschlag nach Angaben seiner Mediziner außerdem einen Schädel- und einen Jochbeinbruch. Diese Verletzungen seien aber relativ unbedeutend.

Wegen der Jochbeinfraktur soll er in der kommenden Woche kurz operiert werden. Insgesamt sei von einer Genesungs- und Rehabilitationszeit von drei bis sechs Monaten auszugehen, sagte Bühren. Der Patient habe bereits am Donnerstag drei Stunden lang Besuch von seiner Familie erhalten, sein Zustand habe sich seit der Ankunft in der Klinik immer weiter verbessert.

Riesending-Schachthöhle
:Gerettet aus der Tiefe

Elf Tage, zehn Stunden und 14 Minuten war er in der tiefsten Höhle Deutschlands gefangen. Am Donnerstag ist der schwer verletzte Forscher Johann W. gerettet worden. Eine Chronologie in Bildern.

W., der an Pfingsten bei einem Steinschlag verletzt wurde, war in einer beispiellosen Aktion aus Deutschlands tiefster Höhle gerettet worden. Am Donnerstag um 11:44 Uhr, etwas mehr als 274 Stunden nach seinem Unfall in rund 1000 Metern Tiefe, sah er am Ausgang der Schachthöhle wieder Tageslicht. Mehr als 700 Menschen hatten an seiner Rettung mitgewirkt.

Wie viel die Aktion gekostet hat, darüber hüllen sich die Helfer in Schweigen. Einsatzleiter Klemens Reindl sagte lediglich: "Wir haben uns jetzt um die Rettung gekümmert - und über Geld reden wir später. Wir haben sicher nicht zu viel getan, aber wir haben auch nicht aus Kostengründen etwas unterlassen, was notwendig gewesen wäre." Es werde zwar "eine Rechnung geben". Aber damit müssten sich nun die jeweiligen Verwaltungen befassen.

Die Bergwacht würdigte die Leistung der Helfer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Kroatien. Zunächst hätten große Zweifel bestanden, ob es gelingen könne, den Verletzten zu bergen. Reindl sprach von einer "Mammutaufgabe". Nach kürzester Zeit seien die besten Höhlenretter aus ganz Europa versammelt gewesen. 202 Retter seien allein in der Höhle im Einsatz gewesen. W. arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). In seiner Freizeit ging er der Höhlenforschung nach.

Der ärztliche Direktor und medizinische Geschäftsführer der Unfallklinik Murnau, Volker Bühren, zeigte auf einer Pressekonferenz am Freitag ein Video des Höhlenforschers Johann W. in seinem Krankenbett (im Hintergrund). (Foto: dpa)
© SZ.de/afp/dpa/tba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: