Nach der Verwandtenaffäre:Landtag erneuert Abgeordnetenrecht

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Die Verwandtenaffäre hat gezeigt, wie sorglos viele Parlamentarier mit öffentlichen Mitteln umgehen. Bis April will der Landtag das komplette Abgeordnetenrecht neu fassen - alle Schlupflöcher sind noch längst nicht gestopft.

Von Frank Müller

Wo genau kommen die staatlichen Gelder an, die an die Mitarbeiter von Bayerns Landtagsabgeordneten fließen? Seitdem im Jahr 2013 bei der Verwandtenaffäre klar geworden war, wie sorglos viele Parlamentarier Verwandte, Partei- und Geschäftsfreunde mit öffentlichen Mitteln versorgten, wird genauer hingesehen.

Bis zum April will der Landtag das komplette Abgeordnetenrecht neu gefasst haben, die Regeln wurden mehrmals verschärft. Abgeordneten wird es durch sie zwar nicht verboten, etwa Angehörige zu beschäftigen. Sie müssten es aber aus eigener Tasche bezahlen, es darf kein Cent aus jenen 92 807 Euro fließen, die der Landtag jedem für Beschäftigung von Mitarbeitern zur Verfügung stellt.

Doch die Frage, ob damit wirklich alle Schlupflöcher gestopft sind, muss sich erst noch klären. Von der außerordentlich großzügigen Beschäftigung der Ehefrau bis zur Abrechnung teuerster Elektronik reichten im vergangenen Jahr die Vorwürfe. Sie trafen zwar nur eine kleine Minderheit der Abgeordneten, zogen aber das Ansehen des Landtags insgesamt in den Keller.

Wer kriminelle Energie hat, der werde auch durch die ausgefeiltesten Regeln schwer zu bremsen sein: Dieser Satz ist im Landtag von verschiedenster Seite zu hören. Zumindest ein Tor für zweifelhafte Aktivitäten blieb auch offen. Dabei geht es um die sogenannten Dienstverträge mit freien Mitarbeitern.

Die Überprüfung der geleisteten Arbeit ist schwer

Nach wie vor dürfen Abgeordnete nämlich auf verschiedenste Art zum Arbeitgeber werden: Sie dürfen feste Arbeitnehmer anstellen, sie dürfen aber auch pauschale freiberufliche Jobs auf Dauer vergeben: etwa dafür, dass ihnen PR-Leute Reden und Presseerklärungen schreiben oder ihren Internetauftritt bestücken.

Auch für solche Tätigkeiten werden Verträge abgeschlossen, die Honorare variieren von Monat zu Monat je nach Leistung. Das Problem ist nur: Die Überprüfung der geleisteten Arbeit ist schwer. Und der Geldfluss lässt sich theoretisch leicht so steuern, dass die dem einzelnen Abgeordneten zustehenden Pauschalen auch bis aufs Letzte ausgereizt werden.

Mit diesen Argumenten hatten die Grünen versucht, diese Dienstverträge zu stoppen, waren daran aber an CSU, SPD und Freien Wählern gescheitert. Abgeordnete seien auf solche Zuarbeit angewiesen, betonten die drei Fraktionen. Außerdem dürfe die Freiheit des Mandats nicht zu streng reglementiert werden.

Eine Übersicht, die der Landtag nun auf Anfrage der SZ erstellte, zeigt zumindest, dass die freien Dienstverträge nach wie vor intensiv genutzt werden. Immerhin 53 der 180 Abgeordneten haben insgesamt 68 solcher - wie gesagt: legaler - Verträge abgeschlossen. Die vier Fraktionen sind dabei in etwa gemäß ihrer Größe repräsentiert, was insofern auffällig ist, dass auch fast ein Viertel der Grünen-Fraktion trotz ihrer generellen Ablehnung Dienstverträge eingegangen ist.

Es fließen sehr unterschiedliche Summen

Das sorgt dort für Stirnrunzeln. Grünen-Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote will nun intern darauf dringen, dass diese Verträge in der eigenen Fraktion beendet werden. Auch insgesamt sei sie weiter "nicht glücklich" mit den freien Jobs: "Ich halte sie nach wie vor für riskant." CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer glaubt dagegen, dass der Landtag nun auf der sicheren Seite ist: "Die rechtliche Regelung ist meiner Ansicht nach abgeschlossen."

Die Landtagsliste macht auch klar, dass sich die Einzelfälle - so wie bei der Verwandtenaffäre - kaum miteinander vergleichen lassen. Es fließen sehr unterschiedliche Summen: Ein Parlamentarier lässt sich für nur 80 Euro brutto monatlich zuarbeiten. Bei einem anderen steigt die Summe auf immerhin 4710 Euro. Namen nennt der Landtag wie üblich nicht, er gibt sich aber entschlossen, in jedem Einzelfall genau hinzusehen.

"Eine pauschale Abrechnung von Dienstleistungsverträgen durch die Abgeordneten ist nicht möglich", sagt Landtagssprecher Anton Preis. "Voraussetzung für eine Zahlung durch das Landtagsamt ist die Vorlage einer Abrechnung, in der Art und Umfang der erbrachten Leistungen aufgeführt sind."

Immerhin scheint das bei freien Verträgen präsente Problem der Scheinselbstständigkeit nun ausgeräumt zu sein. Der Landtag lässt alle Verträge einzeln daraufhin prüfen und will nun den Abgeordneten auch Musterverträge an die Hand geben. Auffälligkeiten bleiben dennoch: So haben immerhin sieben Abgeordnete mit demselben Dienstleistungsunternehmen Verträge für Büroarbeiten aller Art abgeschlossen.

© SZ vom 14.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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