Hochwasser in Bayern:Die Wiederaufbauer

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Das Hochwasser hinterließ in Bayern Schäden von mehr als einer Milliarde Euro. Sie sind noch längst nicht behoben. Aber der Durchhaltewille der Betroffenen ist ungebrochen. Opfer berichten, wie sie die Katastrophe erlebt haben - und wie es ihnen heute geht.

Von Wolfgang Wittl

Im Juni stand der Ortsteil Fischerdorf in Deggendorf meterhoch unter Wasser. (Foto: dpa)

Die Flut brachte Not, Zerstörung und Verzweiflung, sie brachte aber auch eine selten gekannte Solidarität. Weite Teile Bayerns standen im Juni unter Wasser, der Schaden überschritt deutlich die Grenze von einer Milliarde Euro. Opfer berichten, wie sie die Naturkatastrophe erlebt haben - und wie es ihnen heute geht.

Über Weihnachten hatte Josef Alt Besuch von der Familie seiner Schwester, sie musste allerdings im Wohnwagen schlafen. Auch seine Eltern kehrten zurück nach Fischerdorf. Sie waren sechs Monate in einem Pflegeheim untergebracht, wie es mit ihnen weitergeht, ist offen. Sie wissen immer noch nicht, ob ihr Wohnhaus abgerissen werden muss - wie fast 150 andere in dem Deggendorfer Stadtteil. Alts Gärtnerei glich im Juni einer Mondlandschaft, ausgelaufenes Öl hatte die Böden verseucht. Der 46-Jährige brauchte ein paar Tage, bis er wusste, dass er nicht aufgeben würde, obwohl die Versicherung keinen Cent erstattete. Ein Drittel des Schadens - insgesamt mehrere hunderttausend Euro - bekam er bis heute durch staatliche und private Hilfen ersetzt.

Zwei bis drei Sonntage habe es seit dem Hochwasser gegeben, an denen er nicht gearbeitet habe. Fundamente wurden errichtet, Gebäude erneuert, Maschinen repariert, vieles in Eigenleistung. Alt handelt mittlerweile mit regionalen Waren von hoher Qualität, im Februar will er mit der Produktion von eigenem Gemüse beginnen. Das Dorf, glaubt der Gärtner, hat sich verändert. Einige Menschen werden nicht mehr zurückkehren. Wenn er seinen Betrieb im Vergleich zum Juni sehe, komme ihm aber manches vor wie ein kleines Wunder. "Die wahren Helden sind die Helfer", sagt Alt. Am 4. Januar wird er für sie ein Fest ausrichten.

Teil einer Großfamilie zu sein, hat Vor- und Nachteile. 16 Angehörige gehören der Familie Diez aus Freilassing an. Als sie nach dem Hochwasser zusammenrücken mussten, wurde es mitunter ziemlich eng, sagt Jurij Diez. Seine Eltern, seine Schwester, ihr Mann und die zwei Kinder mussten das überschwemmte Haus verlassen, das sie erst ein Jahr zuvor in mühsamer Arbeit fertiggestellt hatten. Sie quartierten sich bei Jurij und seinem Bruder ein. Weil die Familie Diez andererseits über viele geschickte Hände verfügt, ist sie nun bereits weiter als die meisten Nachbarn. Die müssen warten, bis ein Handwerker Zeit für sie hat - und das zu akzeptablen Preisen. Manche Firmen, weiß Jurij Diez, seien "wie die Geier". Die Diez' verließen sich zumeist auf sich selbst. "Wir haben gewerkelt, es hat Kraft und Nerven gekostet, aber es sieht ganz gut aus." Gut zwei Monate musste das Haus trocknen, Tag für Tag wurde Wänden und Böden bis zu 30 Liter Wasser abgerungen. Finanzielle Unterstützung erhielt die Familie des Schauspielers von Kollegen und weiteren Künstlern. Noch fehlt es an manchen Sachen, "aber man gewöhnt sich an die Situation". Im Frühjahr wird weitergewerkelt - dann im Garten.

Die leuchtend grüne Linie an der Wand erspart Romildo Fossalto manche Erklärung. Sie zieht sich quer durch das ganze Schuhgeschäft und markiert den Höchststand vom 3. Juni - es war der Tag, an dem Inn und Donau in der Passauer Fußgängerzone zu einem kleinen See zusammenflossen. Und Fossalto machte Schlagzeilen als Schuhhändler, der mit seinem Laden einst von der Donau weg in die höher gelegene Fußgängerzone zog, und den es dennoch erwischte. Im Oktober kehrte er wieder in sein Geschäft zurück. Im Vergleich zu anderen Passauern sei er noch glimpflich davongekommen, sagt der 33-Jährige. Bis in der Stadt alle Schäden beseitigt sind, dürften Jahre vergehen. Die Angst, dass so ein Hochwasser wiederkehre, werde er wohl nie mehr los, sagt Fossalto. Aber er hat sich vorbereitet. Die neue Einrichtung besteht aus selbst entwickelten Palettentischen mit Rollen unten dran. Im Notfall lassen sie sich einfach wegfahren.

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In den Ställen der Familie Schreiber wird wieder gemuht. Etwa 240 Mastkühe haben die Landwirte aus Altholz bei Plattling eingestellt. Bis zum Juni hatten die Schreibers Bullen, doch die brauchen hochwertiges Futter, von dem es im Moment nicht so viel gibt. Denn Mais ist knapp. Etwa 200 Bullen konnten beim Hochwasser abtransportiert werden, für 100 kam jede Hilfe zu spät. Sie bekamen den Gnadenschuss, ehe sie ertranken. Inzwischen, sagt Juniorchef Thomas Schreiber, geht es wieder aufwärts. Über das Landwirtschaftsamt sei ausreichend Geld geflossen, die Herbstsaat wurde wie geplant ausgebracht. Nur versichern lässt sich der Hof erst dann, wenn der neue Isardamm errichtet sein wird. Den Schreibers gehören selbst einige Hektar Grund, auf denen der Deich einmal stehen soll. Die Bereitschaft zum Verkauf ist da, doch noch mangelt es an Ausgleichsflächen. Es gab Tage, an denen er überlegt habe, ob sich das alles noch lohne, sagt Schreiber: "Aber man kann ja nicht aufgeben oder weggehen. Also geht es weiter. Es muss ja weitergehen, was willst du sonst machen?"

© SZ vom 27.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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