Murnau:Haus der Kunst

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Der Garten vor dem Münter-Haus wird alle Jahre nach alten Skizzen fast originalgetreu bepflanzt. (Foto: Manfred Neubauer)

Gabriele Münter ließ sich in Murnau mit Wassily Kandinsky nieder

Aufs Bankerl vorm bunten Haus setzen, die Augen geradeaus auf die am Hang gegenüber stehende Kirche richten, links davon das Schloss, rechts die Berge. Und jetzt einfach die meisten Häuser dazwischen wegdenken. Dann hat man die Aussicht, die Gabriele Münter und Wassily Kandinsky 1910 auf Leinwand bannten: sie realistisch, er abstrakt. Ein Jahr zuvor hatte Münter das Gebäude an der Kottmüllerallee im oberbayerischen Murnau für sich und ihren Malerfreund erworben - als Landhaus für ausgedehnte Aufenthalte. Sie richteten es gemeinsam ein, legten den Garten an und bemalten die Möbel nach eigenen Entwürfen. Oft malten sie aber auch den Blick aus dem Fenster: eben auf Kirche, Schloss und Bergkette.

Noch heute ist dieser Blick möglich, vom Bankerl oder vom Fenster darüber aus. Täglich außer Montag ist das Münter-Haus von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Wie von der Malerin gewünscht, wurde es Ende der Neunzigerjahre in seinem ursprünglichen Zustand (1909 - 1914) wiederhergestellt. "Sogar der Garten wird jedes Jahr fast originalgetreu von einer Murnauer Gärtnerei bepflanzt", erzählt die Dame an der Kasse. Dank der Gründlichkeit von Gabriele Münter befindet sich auch eine detaillierte Skizze der kleinen Anlage im Besitz der Stiftung, die das dreistöckige Haus als Ort der Erinnerung an das Leben und die Kunst des Malerpaares betreibt.

Münter (1877 - 1962) und Kandinsky (1866 - 1944) hielten sich bis 1914 oft in dem "Russenhaus", so der damalige Volksmund, auf. Das Haus spielte eine ausschlaggebende Rolle in der Geschichte des "Blauen Reiter". Es wurde zu einem bedeutenden Treffpunkt der Avantgarde. Franz Marc, der im nahe gelegenen Sindelsdorf wohnte, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, August Macke und Arnold Schönberg kamen oft zu Besuch. Als der Erste Weltkrieg Mitte 1914 begann, flohen Münter und Kandinsky zunächst in die Schweiz - Kandinsky gehörte als Russe zum feindlichen Lager. Im November 1914 kehrte er nach Moskau zurück, Gabriele Münter lebte vom Sommer 1915 an in Schweden und Dänemark.

Anfang 1920 kehrte Münter nach Deutschland zurück. Mit ihrem späteren Lebensgefährten, dem Kunsthistoriker Johannes Eichner (1886 - 1958), lebte die Malerin von 1931 bis zu ihrem Tod wieder in dem Murnauer Haus. In dessen Keller rettete sie einen unermesslichen Schatz an Bildern, vor allem von Kandinsky sowie eigene Werke und die anderer Protagonisten des "Blauen Reiter" und dessen Umfeld vor dem Zugriff der Nationalsozialisten. Anlässlich ihres 80. Geburtstages hat Gabriele Münter wichtige Teile dieser einmaligen Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München geschenkt. Zahlreiche Bilder sind aber auch im "Schloßmuseum Murnau" und im Münter-Haus zu besichtigen, das einen interessanten Eindruck vom Leben des Künstlerpaares vor mehr als 100 Jahren vermittelt.

Für den Tipp bedanken wir uns bei Jana Stangenberg aus Weilheim.

© SZ vom 15.03.2016 / rsy - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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