München braucht Augsburg:Die Zukunft liegt in Südbayern

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Beliebtes Augsburg: Allein in den vergangenen zehn Jahren haben 860 Unternehmen ihren Standort von München dorthin verlagert. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Drei Handelskammern wollen gemeinsam das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft erfolgreich managen

Von Ralf Scharnitzky, Augsburg

Peter Saalfrank, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Augsburg, sieht man es richtig an: Er ist zutiefst zufrieden. Die Landeshauptstadt München holt die schwäbische Metropole ins Boot. Denn damit wird öffentlich manifestiert, was man im Schwabenland schon immer wusste: München ist auf Augsburg und sein Umland angewiesen - hier sind Gewerbeflächen und Wohnraum noch bezahlbar. In den vergangenen zehn Jahren haben etwa 860 Unternehmen ihren Standort von München in die Region Augsburg verlegt, 2013 zogen 11 500 Bürger von München nach Augsburg. Neben den für Schwaben und München-Oberbayern zuständigen Kammern soll auch die IHK Niederbayern eingebunden werden. Es soll so eine Wachstumsachse Augsburg-München-Passau geschaffen werden.

Der "Südbayern-Plan", den Saalfrank zusammen mit Münchens IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen am Mittwoch in Augsburg vorstellte, kann durchaus als Kritik an den Bestrebungen der Staatsregierung zur Stärkung des ländlichen Raums verstanden werden. Die starke Position Münchens führe, so Driessen, immer wieder zu planwirtschaftlichen Überlegungen, die in der Praxis nicht funktionieren würden - frei nach dem Motto: Ich nehme hier etwas Wachstum weg, um es woanders einzufügen. "Den Großraum München für sein Wachstum zu bestrafen, ist in höchstem Maße widersinnig." Die Politik muss nach Ansicht von Driessen, der auch Chef aller bayerischen IHKs ist, Lösungen entwickeln, "die das erwartete Wachstum unterstützen und flankieren - und nicht behindern". Wie aus seinem Haus kritisiert wird, habe die Staatsregierung zwar Entwicklungspläne für den ländlichen Raum, aber keine für die beiden großen wirtschaftlichen Zentren Nürnberg/Erlangen und München/Augsburg. Deshalb sehen es die drei Kammern als ihre gemeinsame Aufgabe, das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft in ganz Südbayern erfolgreich zu managen.

Eine wichtige Forderung an die Politik, aber auch an die Kammern selber: Künftig soll in Funktionsräumen und nicht mehr in politischen Grenzen gedacht und agiert werden. Unter zufriedenem Lächeln von Saalfrank machte Driessen deutlich, dass München zwar der Motor der bayerischen Wirtschaft sei und bleibe, aber: "Der Großraum München ist für seine zukünftige Entwicklung auf seine Nachbarregionen Schwaben und Niederbayern angewiesen." Es sei nicht relevant, ob sich Fachkräfte hier oder dort ansiedeln, Firmen diesseits oder jenseits des Lechs, entlang des Inns oder der Donau expandieren: "Wichtig ist vielmehr, dass sie ihre Zukunft in Südbayern sehen." Deshalb sei die Bereitschaft zur Kooperation in den Verbänden in den vergangenen Jahren gewachsen. Saalfrank bestätigte diese Einsicht: "Wie reden seit drei Jahren darüber. Jetzt ist es so weit." Und er verwies darauf, dass auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hinter dem "Südbayern-Plan" stehe. Man redet auf Augenhöhe. Die Zeiten, in denen Augsburg Angst hatte von "Greater Munich" dominiert zu werden, sind vorbei.

Die drei IHKs verlangen eine gemeinsame Entwicklung von neuen Gewerbeflächen, des Wohnungsbaus und des Verkehrs in ganz Südbayern. So müsse ein Nahverkehrsverbund geschaffen werden, der weit über den bisherigen Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) hinausreiche. Besonders wichtig seien leistungsfähige Verkehrswege zwischen den Teilen der Region. Zwischen München und Augsburg sei dies mit dem Ausbau der Bahn und der Autobahn A 8 bereits hervorragend umgesetzt. "Die große Herausforderung besteht nun in der Stärkung der Bahnachse München-Lindau", sagte Saalfrank. "Hier setzen wir darauf, dass die vereinbarte Elektrifizierung nun zügig und tatkräftig umgesetzt wird." Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau in Bayern sollten von 380 Millionen Euro auf mindestens 600 Millionen Euro pro Jahr angehoben werden. "Ohne bezahlbaren Wohnraum werden die benötigten Fachkräfte nicht nach Südbayern kommen," so Driessen. Schon heute verlangsame dieser Flaschenhals das Wachstum.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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