Mitten in Würzburg:Keine Tassen im Schrank

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Die Welt könnte so viel besser sein, wenn der Mensch nicht so bequem wäre. Oft muss man nur ein bisschen nachhelfen, damit er seinem inneren Schweinehund Beine macht

Kolumne von Claudia Henzler

Die Welt könnte so viel besser sein, wenn der Mensch nicht so bequem wäre. Weil ihm ja vollkommen klar ist, dass er wenig Kohlendioxid und Müll produzieren sollte und er sich morgens einfach mal fünf Minuten hinsetzen könnte, um seinen Fairtradekaffee zu genießen, und dann aufs Fahrrad steigen. Wäre auch gesünder. Aber in der eigenen Geländelimousine fährt man halt doch irgendwie gemütlicher ins Büro. Und wenn man dabei noch den Milchkaffee vom Lieblingsitaliener schlürfen kann, ist's grad noch schöner.

Doch das schlechte Gewissen sitzt auf der Rückbank, die meisten Menschen würden die Welt schon gerne retten, wenn's nicht zu viele Umstände macht. Oft muss man nur ein bisschen nachhelfen, damit sie ihrem inneren Schweinehund Beine machen. Das hat sich auch das Studentenwerk Würzburg gedacht, das mehr als 54 000 Studentinnen und Studenten in Aschaffenburg, Bamberg, Schweinfurt und Würzburg mit Kaffee versorgt - auf Wunsch auch im Pappbecher. Weil davon jährlich 600 000 Stück über den Tresen gehen, hatte die Studentenvertretung angeregt, die Müllflut einzudämmen. Und das Studentenwerk hatte sich daraufhin einiges einfallen lassen: Seit Oktober bietet es nicht nur Mehrwegbecher an, sondern nimmt den Mitnehmkaffeetrinkern auch noch das Abspülen ab. Wer will, kann seinen Plastikbecher nach Gebrauch gegen einen sauberen eintauschen. Als zusätzlicher Anreiz, einmalig vier Euro in den wiederverwendbaren zu investieren, wurde in allen Cafeterien eine Müllsünderzulage eingeführt: Kaffee im Pappbecher kostete zehn Cent mehr. Doch das Experiment scheiterte, die Strafzulage wurde zum Start des Sommersemesters wieder abgeschafft. Denn das Studentenwerk hatte übersehen, wie faul seine Kunden tatsächlich sind. Sie müssten ja den leeren Mehrwegbecher entweder mit sich herumtragen oder zurückbringen, um eine Pfandmarke zu holen. Weil sie sich den Aufwand und die Zusatzgebühr sparen wollten, wichen immer mehr auf die kostenlosen Keramiktassen aus, die nicht zum Mitnehmen gedacht sind, und ließen sie dann einfach auf dem Unigelände oder irgendwo im Stadtgebiet liegen. So mussten am Semesterende allein in Würzburg fast 3000 Tassen nachgekauft werden.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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