Mitten in Bayern:Wahlkampf aus der Dose

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Eine Brotdose bleibt eine Brotdose. Auch wenn die Zirndorfer Sozialdemokraten politische Botschaften darin verpacken. Mit mäßigem Erfolg

Kolumne von Anton Rainer

Anders als der Name vermuten lässt, muss in einer Brotdose nicht zwangsläufig Brot liegen. So wie das Studentenfutter, das entgegen jeder Sprachlogik zwar Spuren von Nüssen, aber kaum Spuren von Auszubildenden enthält, unterscheidet sich die Brotdose von stinknormaler Tupperware nicht durch ihren Inhalt, sondern durch ihren Einsatzort. Wo Erstklässler brüllen und Lehrer verzweifeln, ist die Brotdose zu finden. Man könnte sie freilich auch "Lunchbox" nennen und sie modern und nachhaltig mit Bio-Gummibärchen befüllen - doch am Ende würde sie immer eine Brotdose bleiben. Selbst wenn die Jause darin irgendwie nach Zellulose schmeckt und nach enttäuschten Erwartungen.

Hunderte Schulanfänger im mittelfränkischen Zirndorf dürften diese Enttäuschung vergangene Woche gespürt haben, als sie das Wahlkampfgeschenk der örtlichen SPD zwischen den Zähnen hatten. Die nämlich hatte ihre roten Brotdosen, die sie alljährlich zum Schulanfang verteilt, nicht nur mit Äpfeln und Bleistiften befüllt, sondern auch noch mit einem Brief. Darin werden die Kinder aufgefordert, ihre Eltern zur SPD zu bekehren. "Sagt bitte Euren Eltern, sie sollen unbedingt zur Wahl gehen", schreibt die Partei und: "Einfach die SPD ankreuzen. Dann haben Eure Eltern alles richtig gemacht."

Nun könnte man den Zirndorfer Sozis miserables Zielgruppen-Marketing vorwerfen. Erstklässler, das ist bekannt, können weder lesen noch wählen noch verfügen sie über viel Erfahrung beim Verhandeln. "Papa, bitte wähl' die SPD", dürfte Eltern ebenso wenig beeindrucken wie: "Papa, bitte mehr Taschengeld." Auch wenn sich Nachgeben nicht in beiden Fällen direkt auf den Geldbeutel auswirkt.

Die anderen Parteien gehen noch weiter, sie sprechen von "unzulässiger Wahlbeeinflussung" und der "Instrumentalisierung" unschuldiger Kinder. Die wiederum sollten froh sein, wer weiß, welche Geschenke die SPD in ihrer unendlichen Bürgernähe stattdessen in die Brotdose gezwängt hätte? Spinat vielleicht und gesunden Brokkoli. Oder eine Natascha-Kohnen-Actionfigur, als "Begleiter für Euren Schulalltag". Dann lieber ein Brief an die Eltern. Beim nächsten Mal aber bitte ergänzt um einen Warnhinweis: "Achtung, kann Spuren von Verzweiflung enthalten."

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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