Mitten in Bayern:Mut zum Ungeschminkten

Lesezeit: 1 min

Jede Bewegung löst eine Gegenbewegung aus. In diesem Fall ist es Niedermotzing zu Straubing

Von Andreas Glas

Jedes Jahr im Spätsommer, wenn in Bayern die Riesenräder aus den Böden schießen, dann kommen auch die überzeugten Traditionalisten daher und jammern, dass es früher viel gemütlicher gewesen sei auf den Volksfesten, die nun allerorts beginnen oder schon begonnen haben wie etwa das Straubinger Gäubodenfest. Dort können die Massen noch so oft das Prosit der Gemütlichkeit anstimmen - so richtig behaglich geht es längst nicht mehr zu in den Festzelten. Trotzdem und deswegen zieht das Gäubodenfest jedes Jahr mehr als eine Million Menschen nach Straubing. Eine wahre Völkerbewegung.

Und weil jede Bewegung eine Gegenbewegung erzeugt, hat sich nahe Straubing ein Fest etabliert, das nicht nur überzeugte Traditionalisten anzieht, sondern auch diejenigen, die gar nicht wussten, dass sie Traditionalisten sind: das Dorffest in Niedermotzing. Dort hat vor elf Jahren alles angefangen mit einem Breznstand an der Kreisstraße, die durch den Ort nach Straubing führt. Die Leute waren auf dem Weg zum Gäubodenfest, und weil die Brezn dort teurer waren, haben sie am Straßenrand gehalten und sich mit Proviant fürs Volksfest eingedeckt. Weil jedes Jahr mehr Autos hielten, haben die Niedermotzinger irgendwann Biertische unter den Apfelbäumen aufgestellt, dann kamen Steckerlfischstände dazu und Käsehäuschen. Immer mehr Durchreisende sind auf eine Halbe Bier da geblieben, aus einem Bier wurden drei und irgendwann hatten die Leute vergessen, dass sie eigentlich nach Straubing fahren wollten.

In Niedermotzing gibt es keine blinkenden Fahrgeschäfte, nicht mal Musik, und genau deswegen kommen die Leute inzwischen zu Tausenden in einen Ort, der selbst keine tausend Einwohner hat. Monika Ransberger, eine der beiden Veranstalter, vergleicht ihr Dorffest mit einer "hübschen, ungeschminkten Frau, die den Mut hat, dazu zu stehen, wie sie ist" - im Gegensatz zu den Volksfesten, "wo die Leute alle gepudert sind". Und all denen, die nicht komplett auf Blinklichter und urbayerisches Bierzelt-Liedgut wie "Highway to Hell" verzichten wollen, denen sei gesagt: Das Niedermotzinger Dorffest ist ein guter Ort, um sich bei einer Halben Bier und einer Brotzeit von den Strapazen des Volksfests zu erholen.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: