Mitten in Bayern:Modemut gegen Kleinkariertheit

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Politiker fallen selten als Fashion-Victims auf, im Gegenteil, schlechtsitzende Anzüge schienen jahrzehntelang zum Berufsbild zu gehören. Bis heute stutzen und jauchzen die Wähler, wenn Volksvertreter mal passend oder gar modisch gekleidet sind. Nun versucht sich sogar Bundesverkehrsminister Dobrindt als Trendsetter

Von Katja Auer

Mode und Politik bilden ein Begriffspaar, das sich nicht von allein harmonisch zueinander fügt. Schließlich haben ganze Politikergenerationen in schlecht sitzenden grauen Anzügen an den Rednerpulten der Republik gestanden, und so richtig hat das wohl kaum jemanden gestört. Im Gegenteil, man erinnere sich nur an die Aufregung, die Kanzlerin Angela Merkel ausgelöst hat, als sie mit einem weit ausgeschnittenen Abendkleid bei der Eröffnung der Osloer Oper sichtbar darlegte, dass sie sehr wohl eine Frau ist. Hinter der Merkel-Raute und ihren farbigen Blazern war das bis dahin niemandem in dieser Deutlichkeit aufgefallen.

Bei männlichen Politikern waren die Wähler ohnehin an formlose Stoffe gewöhnt, sodass jener Baron aus Oberfranken schon deswegen verehrt wurde, weil er gut geschnittene Anzüge in der richtigen Größe trug. Das hat ihm freilich nichts mehr genützt, als herauskam, dass er bei seiner Doktorarbeit etwas weniger gründlich vorgegangen ist. Und so war die Stelle des bestangezogenen Ministers eine ganze Weile vakant.

Das will nun offenbar Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ändern. Der hat vor einer Weile 20 Kilo abgenommen, was wirklich respektabel ist. Und damit das auch entsprechend zur Geltung kommt, musste er seinen Kleiderschrank neu befüllen. Nur hat er sich nicht einfach die alten Modelle in einer neuen Größe zugelegt, sondern geradezu modischen Wagemut bewiesen. Übermut könnte man auch sagen, schließlich trägt er jetzt groß karierte Anzüge mit einer Selbstverständlichkeit wie bisher nur die Clowns in der Zirkusarena. Dass der Mann zur Selbstgeißelung neigt, mag mancher schon vermutet haben, als er den Job des Bundesverkehrsministers samt Seehofers Maut-Träumereien übernahm. Aber nein, ein Statement soll die Klamotte keineswegs sein, klärte Dobrindt jetzt auf. In einer Fachzeitschrift für solche Fragen, der Bunte, gab er zu Protokoll, dass man schließlich auch spannende graue Anzüge tragen könne. Und außerdem: Kleinkariertheit gebe es in der Politik doch genug. Da hat er zweifellos recht, der neue Mode-Minister. Wenn da schon ein paar große Karos helfen, dann sollte er vielleicht doch noch Modeberater werden.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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