Mitten in Bayern:Harte Zeiten für weiche Tiere

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Schnecken sind nicht besonders beliebt, besonders von Gartenfreunden werden sie auf alle erdenklichen Arten gejagt. Und selbst die angebliche Tierliebe eines Radfahrers erschien der Polizei kürzlich verdächtig

Glosse von Maximilian Gerl

Ein besonderer Fall von Tierschutz beschäftigte neulich eine Polizeistreife in Unterfranken. In Obernburg am Main stoppte sie einen Radler, der in Schlangenlinien über die Straße pendelte. Seine Begründung: "Er sei den reichlich vorhandenen Nacktschnecken auf dem Radweg ausgewichen, um sie nicht zu überfahren", teilte die Polizei mit. Jedoch habe ein Atemalkoholtest den Verdacht genährt, "dass die Nacktschnecken nicht der einzige Grund für die Fahrweise des Mannes waren". Die Streife maß bei ihm 2,56 Promille.

Trunken vor Tierliebe hatte es sich damit für den Radler ausgependelt. Und die Polizei muss fast dankbar sein, dass sie nicht auch noch für Weichtiere zuständig ist. Vermutlich käme sie sonst vor lauter Schnecken- nicht mehr zur Ganovenjagd, derart gefräßig machen sich die schleimigen Gestalten im Sommer über Gemüsebeete her. Dabei können sie sehr nützlich sein. So hält laut BR das Bezirkskrankenhaus Passau Therapieschnecken, das Füttern aus der Hand soll Verantwortung schulen. Die drei Achatschnecken würden auf Heidi, Fred und Bert hören, wenn sie denn Ohren hätten. Sogar typisch bayerische Schnecken gibt es, die nur oder vorwiegend im Freistaat herumkriechen: darunter die Rhön-Quellschnecke und die Bayerische Zwergdeckelschnecke. Auch vom "Schneckentempo" hat man hierzulande öfter gehört, gern in Zusammenhang mit der Digitalisierung und anderen Zukunftssachen. Doch auf ein Wappen hat die Tiere niemand gehoben. Lieber schmückt man sich in Bayern mit Löwen und anderen Kraftmeiern.

Umgekehrt müssen auch viele Gartler froh sein, dass die Schnecken nicht die Polizei rufen. Ansonsten stiege allein im Familien- und Freundeskreis die Zahl der Vorbestraften drastisch an: So zahllos sind die Folterberichte von Zweiteilen, Pfählen, Ersäufen. Manche schrieben sogar ein Kopfgeld aus (eine Mark pro Schnegel), damit die Kinder möglichst viele Mollusken mit dem Dreirad plätten. Nur die Oma ließ manchmal Gnade walten. Mit einer Gewandtheit, wie man sie vielleicht nur auf niederbayerischen Bauernhöfen lernt, warf sie dann die Schnecken über den Zaun. Und der Nachbar hatte sogar noch Glück. Einmal entging er dem Schneck im wahrsten Sinne nur um Haaresbreite.

© SZ vom 07.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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