Mitten in Bayern:Es kaaselt kaum noch

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Früher hat es ordentlich gestunken in Bayern, nach Odel, Misthaufen und Käsefüßen. Heute riecht es allenfalls im Zug, wenn der Mitreisende seinen Döner auspackt

Kolumne von Hans Kratzer

Für Wurst- und Dönerfreunde brechen harte Zeiten an, jedenfalls in der Stadt Wien, die künftig in der U-Bahn stark riechende Speisen wie Leberkäs, Kebab und Käsekrainer verbieten will. Dass beim Verzehr dieser Köstlichkeiten derbe Düfte durchs Abteil wabern, beschreibt aber nur das halbe Elend. Meistens lösen sich beim Zubeißen auch noch Fettspritzer, wobei die Kleidung von Mitreisenden als eine Art Auffangbecken herhalten muss.

Auch in München lässt sich mancher Fahrgast vor der Reise von den Burger- und Dönerbratern verführen, um das Objekt der Begierde im Abteil sogleich zu entblättern. Explosionsartig entfaltet sich nun der Duft des triefenden Gemischs aus Fleisch, Zwiebeln und Knoblauch, während der Konsument mit Halsverrenkungen und Schnappbewegungen zu verhindern sucht, dass die vom Brotfladen nur dürftig umschlungenen Brocken auf den Boden fallen.

Die Essensgerüche in Zügen und U-Bahnen sind bittere Realität, aber insgesamt ist festzustellen, dass viele Gerüche aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Auf den Dörfern umfing einen früher eine Kaskade von Geruch und Gestank, ausgehend von einer olfaktorische Dreieinigkeit aus Schweinestall, Misthaufen und Odelgrube. Die Städte wiederum rochen weniger nach Diesel und Abgasen als nach den Schmierstoff-, Malz- und Fettgerüchen der vielen Handwerksbetriebe, der Brauereien sowie der Wirtshäuser und Metzgereien.

An geschmacklicher Bedeutung verloren haben auch stinkende Käsesorten, die sich zudem für Racheakte hervorragend eigneten. Den legendären Stinkerkäse Romadur schmierten Schulkinder bei Gelegenheit unters Pult, um der Lehrkraft eine anhaltende Duftnote zu verpassen. Diese Person hat dann gekaaselt, wie man auf bairisch sagt. Besonders heftig kaaseln ja ungewaschene Füße, was in Zeiten ohne Dusche die Regel war. Wie es früher in den Häusern gerochen hat, ist heute in den Nachtlagern von Berghütten zu erahnen. Aber das ist harmlos im Vergleich zum Duft in jenen Waldhütten, in denen einst Holzknechte übernachteten. Der barbarische Gestank ihrer Kaasfüße fand sogar Eingang ins alpenländische Liedgut: "Ziwui ziwui, Ziwal Zawal Zechnkaas, schlogt scho hoiwa druia..."

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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