Brauchtum:Bayerns Schützenvereine hadern mit der Wurst

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Viele Vereine fragen sich: Ist es noch angemessen, dem Drittplatzierten eine Wurstkette um den Hals zu hängen?

Kolumne von Andreas Glas

Es gibt immer noch Leute, die behaupten, dass es beim Fußball um die Wurst gehe und die Beziehung Fußball/Wurst eine Art heilige Allianz sei. Eine recht anachronistische Deutung ist das, denn die Stadionwurst ist längst nicht mehr so wichtig, wie sie früher mal war.

Das sieht man schon daran, dass die jüngste Stadionwurstrangliste des Fachmagazins Grillen auch schon wieder sechs Jahre alt ist. Der Testsieger hieß Werder Bremen, was ebenfalls für den Bedeutungsverlust der Allianz Fußball/Wurst spricht, vor allem aus bayerischer Sicht. Die Allianz Bayern/Wurst ist schließlich die heiligste aller Wurstallianzen, was in bayerischen Schützenvereinen besonders gut zu beobachten ist. Denn nirgends geht es so sehr um die Wurst wie bei den Schützen.

Schon deshalb, weil der zweitplatzierte Schütze statt einer Silbermedaille eine Wurstkette um den Hals gehängt bekommt. Was, am Rande bemerkt, das Sprichwort widerlegt, dass alles ein Ende habe, nur die Wurst habe zwei. Die Redewendung "um die Wurst gehen" wiederum hat nirgendwo einen so wahren, weil existenziellen Wortsinn wie zurzeit in Bayerns Schützenvereinen. Denn in den Vereinen tobt gerade ein Streit, ob es noch zeitgemäß ist, dem Zweitplatzierten eine Wurstkette umzuhängen und dem Dritten eine Kette aus aneinandergeschnürten Brezn.

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Man kann jetzt schimpfen, dass die Wurstkettenkritiker rechte Breznsalzer sind, weil sie einen alten Brauch in Frage stellen. Nur ist es halt so, dass der Brauch nicht so alt ist wie manche denken. Er stammt aus der Nachkriegszeit, als die Leute wenig zu essen hatten und Lebensmittel einen höheren Wert hatten als heute.

Nun hat Landesschützenmeister Wolfgang Kink in der Donau-Post erklärt, dass der Wurstkettenbrauch in Zeiten des Überflusses "keine schöne Sache" mehr sei. Andere sehen die Außenwirkung des Sports bedroht, weil der Wurstkettenträger schon ziemlich deppert ausschaut neben dem Schützenkönig und seiner schmucken Silberkette. Ein offizielles Wurstkettenverbot hat der Bayerische Sportschützenbund aber nicht ausgesprochen. Vorerst handhabt es der Verband so, dass es ihm wurscht ist, wie die Vereine mit dem Knackwurstkettenbrauch umgehen.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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