Mitten in Bayern:Die neue CSU mit alten Traditionen

Lesezeit: 1 min

Ob es früher besser war oder man sich doch der Zukunft beugen muss, darüber gibt es in vielen Parteien geteilte Meinungen. Die CSU probt gerade die Erneuerung, auch mit älteren Herren. Das klappt aber nicht mit allen

Kolumne von Wolfgang Wittl

Wenn alle Argumente erfolglos ausgetauscht sind; wenn sich jede Seite wieder mal im Recht wähnt, ohne die andere überzeugen zu können, dann hilft bei den Christsozialen oft nur noch eines: die Unterscheidung zwischen alter und neuer CSU. Neu steht für fortschrittlich, der Zukunft zugewandt, kurz: das Gute. Alt heißt entsprechend das Gegenteil: rückständig, ewig gestrig, einfach pfuideife.

Horst Seehofer hat die neue CSU stets als Kampfbegriff eingesetzt, wenn er Projekte gegen den Willen seiner Partei durchpauken wollte, die aus seiner Sicht gerne in der Prämoderne zu verharren neigt. Das war beim Donauausbau so und bei der dritten Startbahn am Münchner Flughafen kaum anders. Seine Gegner hielten dann entgegen, es könne ein zeitloser Wert sein, seine Überzeugungen zu vertreten. Dass Seehofer am Ende seine Spitzenämter aufgeben musste, weil ausgerechnet auch diejenigen, die er für die Verkörperung der alten CSU hielt, unbedingt etwas Neues wollten, ist eine Pointe, über die es sich nachzudenken lohnt.

Dass alte und neue CSU nichts mit dem Lebensalter zu tun haben müssen, zeigt sich in der Debatte um das Volksbegehren Artenvielfalt. Alois Glück soll den runden Tisch moderieren, hat Ministerpräsident Markus Söder, 52, verfügt. Trotz seiner 79 Jahre ist Glück bis heute einer der frischesten Köpfe seiner Partei geblieben. Auf der anderen Seite gibt es Politiker wie den acht Jahre jüngeren Europaparlamentarier Albert Deß, der seit jeher eine, nun ja, etwas tradierte Art der Auseinandersetzung pflegt.

Es war unlängst am Berchinger Rossmarkt, als der CSU-Agrarmann Deß auf Helfer des Volksbegehrens stieß. "Innerhalb kürzester Zeit sahen wir uns lebhafter Beschimpfung ausgesetzt", berichten die Naturschützer. Angeblicher Höhepunkt: Deß soll ihnen zugerufen haben, sie seien die "schlimmsten Volksverhetzer seit Adolf Hitler". Volksverhetzer? Hitler? Nein, sagt Deß, so etwas gehöre nicht zu seinem Sprachgebrauch. Er habe wohl eher von "Volksverdummung" gesprochen. Aber er sei halt auch ein sehr spontaner Mensch. Deshalb wolle er sich "ausdrücklich entschuldigen", sollte sich jemand durch seine Worte beleidigt fühlen. Wer Albert Deß kennt, kann dies durchaus als Zeichen der Erneuerung werten.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: