Mitten in Bayern:Der Stamm jenseits des Limes

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Ach, die Franken. Das sagt man so leicht, dabei gibt es gar keine Volksgruppe mit einheitlichen Wurzeln. Trotzdem wird einmal im Jahr der Tag der Franken gefeiert. Diesmal sogar in Thüringen. Wenn das nicht von Vielfalt zeugt

Kolumne von Claudia Henzler

Als Zugereister mag man sich schon mal bei der Frage erwischen, ob der Franke vielleicht anders tickt, weil er vor langer Zeit durch den Limes von den Segnungen der römischen Kultur abgeschnitten war. Das ist natürlich Schmarrn. Wer würde schon behaupten wollen, dass es sich bei den heutigen Bewohnern Frankens um eine Volksgruppe mit einheitlichen Wurzeln handelt. Die Suche nach einem Urfranken dürfte nach Jahrhunderten der Umwälzungen, der Zu- und Wegzüge in einem territorial so zersplitterten Gebiet ziemlich aussichtslos sein.

Franken ist ein Konstrukt, das vor 200 Jahren vom bayerischen Königshaus geschaffen wurde, was deshalb aber nicht schlecht sein muss. Die Wittelsbacher hatten einfach lange vor der Erfindung von Heimatministerien und professionellem Regionalmarketing verstanden, dass viele Menschen Sehnsucht nach einer regionalen Identität haben, mögen sie auch noch so weltoffen sein. In dieser Tradition kann man den "Tag der Franken" sehen, der nicht von bösen Oberbayern, sondern von fränkischen Landtagsabgeordneten eingeführt wurde. An diesem Tag geht es nach moderner Lesart nicht um Abstammung, sondern um eine Identität, die man sich aneignen kann. Gefeiert werden "die Franken" als Bewohner einer Region, in der bestimmte kulturelle Gepflogenheiten und Verhaltensweisen gepflegt werden. Wobei klar ist, dass sich diese Bräuche auch mal ändern können. Als der Limes stand, gab es in Franken schließlich weder Silvaner, Kloß mit Soß noch Dürerhase.

Diesmal wird der Tag der Franken sogar über die Landesgrenze hinaus begangen, weil die Stadt Sonneberg zwar politisch in Thüringen liegt, aber Franken schon rein topografisch zugewandt ist. Das gemeinsame Festprogramm füllt sechs Wochen und endet am 7. Juli in einer großen Feier mit Ministerpräsident. Der könnte die Zeit bis zur großen Sause noch schnell nutzen und den Internetauftritt der bayerischen Staatsregierung überarbeiten lassen. Denn dort wird immer noch die Volksgruppenidee vertreten. Über die "rund 4,1 Millionen Franken" ist da zu lesen: "Ausgeprägter Gemeinschaftssinn, Organisationstalent, Heiterkeit und ein schnelles Auffassungsvermögen zeichnen diesen Stamm aus."

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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