Memmingen:Machtwechsel nach einem halben Jahrhundert

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In Memmingen wird CSU-Mann Schilder knapp Oberbürgermeister. Die SPD rätselt nun über die Gründe ihrer Niederlage

Von Christian Rost, Memmingen

Am Ende prosten sich die beiden Kandidaten aufgeräumt zu. Dass sie nach der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag in Memmingen zusammen ein Bier trinken würden, verabredeten Manfred Schilder von der CSU und Friedrich Zeller (SPD) schon im Wahlkampf. Schilder steht als Gewinner natürlich mit einem breiten Lächeln in der Rathaushalle. Mit 51,5 Prozent der Stimmen hat er gerade gesiegt. Doch auch Friedrich Zeller wirkt nicht niedergeschlagen ob der knappen Niederlage mit nur 474 Stimmen Unterschied. Schlimmer wäre es gewesen, wenn er mit großem Abstand verloren hätte, sagt der Verwaltungsfachmann.

Während bei der CSU nun alles ganz schnell geht - an diesem Dienstag wird Schilder ins Amt eingeführt -, lässt die SPD das Ergebnis erst einmal sacken. Im Laufe der Woche wollen sich die Verantwortlichen im Ortsverein darüber Gedanken machen, weshalb die Sozialdemokraten nach 51 Jahren den Chefsessel im Rathaus verloren haben. Lag es an der Person Zeller, lag es an den Themen oder am Wahlkampf, der ja sowohl von CSU wie SPD sehr zurückhaltend geführt wurde aus Respekt vor dem im Dezember überraschend verstorbenen Oberbürgermeister Markus Kennerknecht? Der SPD-Politiker war beim Joggen mit einer Herzattacke zusammengebrochen. Erst 46 Jahre war er alt und nur 38 Tage im Amt als Nachfolger von seinem Parteifreund Ivo Holzinger, der 36 Jahre lang an der Spitze der kreisfreien 43 000-Einwohner-Stadt gestanden hatte.

Obwohl sämtliche Beobachter mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen der Kandidaten rechneten, ist die Niederlage doch ein "harter Schlag" für die Memminger SPD, wie der Vorsitzende des Ortsvereins, Rolf Spitz, einräumt. Über die Gründe für die Abwahl in einer Zeit, in der der neue Bundesvorsitzende Martin Schulz wie eine Art Messias gefeiert wird, kann Spitz nur spekulieren: "Vielleicht weil wir relativ spät angefangen haben zu plakatieren." Drei Wochen warteten die Genossen nach dem Tod Kennerknechts ab, ehe sie mit dem Wahlkampf begannen. "Wir waren ja wie gelähmt", berichtet Spitz. Inhaltlich kann er an der Kampagne jedenfalls keine Fehler erkennen. Dass sich Friedrich Zeller anders als Schilder für die Genehmigung eines Minaretts ausgesprochen habe, das sich laut Baurecht ohnehin nicht verhindern lasse, habe nur die "liberale Position" ihres OB-Kandidaten verdeutlicht, so der SPD-Vorsitzende weiter. Entscheidend bei der Wahl sei dieses Thema sicher nicht gewesen, "weil es bei den Memmingern kein großes Thema ist". Spitz mag auch nicht glauben, dass mit Zeller der falsche Kandidat aufgestellt wurde. Der 50-Jährige war Bürgermeister von Schongau und Landrat des Kreises Weilheim-Schongau und ist damit ein kommunalpolitischer Profi. Gebürtiger Memminger ist er auch, allerdings war er jahrelang beruflich andernorts tätig und in der Heimat nicht mehr präsent. Spitz kann aber auch darin keinen Grund erkennen, der den Kandidaten für die Wähler weniger attraktiv hätte erscheinen lassen. Denn die beiden vorherigen Amtsinhaber traten ebenfalls als Auswärtige an. Kennerknecht stammte aus Durach, Holzinger kam aus Aalen ins Oberschwäbische.

Auch Manfred Schilder macht sich nach dem ersten Jubel Gedanken über die Wahl. Ihn beschäftigt vor allem die geringe Beteiligung. "Es macht nachdenklich, dass wir nur knapp die Hälfte der Wahlberechtigten motivieren konnten", sagt der 59-Jährige. Womöglich seien die Bürger einfach zufrieden, "weil Memmingen ja tatsächlich super dasteht mit seiner Infrastruktur und bei den Finanzen". Zur Wahlmüdigkeit könnte aber auch beigetragen haben, dass die beiden Kandidaten bei den wichtigen Themen fast völlig übereinstimmten - egal, ob es um die Ansiedlung von Ikea ging oder die Sanierung des Bahnhofsareals. "Am Ende", sagt Schilder, "war vielleicht die Persönlichkeit ausschlaggebend." Er sei jedenfalls viel in den Stadtteilen unterwegs gewesen und habe das Gespräch mit den Menschen gesucht. Mit dem Ergebnis, dass der CSU-Mann nach seinem Haustür-Wahlkampf in mehreren Stadtteilen tatsächlich deutlich mehr Stimmen bekommen hat als sein Kontrahent.

Eine Prioritätenliste für seine neue Aufgabe hat Schilder nach eigenem Bekunden nicht. Allerdings wurde just am Wahlwochenende bekannt, dass das Memminger Klinikum tiefrote Zahlen schreibt. Das Defizit soll in diesem Jahr mit 5,8 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch ausfallen wie im Vorjahr. Angesichts dieser Nachricht wird der unterlegene Kandidat womöglich nicht unglücklich sein, wenn Schilder das Problem lösen muss. Zeller war als Landrat abgewählt worden, weil er sich für die Schließung eines Krankenhauses ausgesprochen hatte.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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