Lindau:Obstbauern fürchten warmen Winter und späten Frost

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Ein später Wintereinbruch kann den Apfelbäumen schwer zusetzen, vor allem dann, wenn sie schon in der Blüte stehen. (Foto: Peter Widmann/Imago)

Wenn die Apfelbäume früh blühen und dann erfrieren, drohen Ernteausfälle wie im vergangenen Jahr. Die Hilfe der Staatsregierung dauerte damals

Von Christian Rost, Lindau

Die Krokusse stehen auf der Wiese, die ersten Bienen sind unterwegs und die Felder sind grün und nicht braun oder schneeweiß wie sonst um diese Jahreszeit. Die Tagestemperaturen von mehr als zehn Grad Celsius erwärmen den Boden in Lindau und Umgebung und lassen die Frühblüher sprießen. Martin Nüberlin hadert mit dem milden Winter: Einerseits lässt es sich angenehm arbeiten in seinen Obstgärten, eine Jacke braucht Bauer Nüberlin nicht beim Zuschnitt der Bäume. Allerdings sind "die Erinnerungen ans Frühjahr 2017 hellwach", wie der Sprecher der Lindauer Obstbauern sagt. Im Vorjahr haben sie unter dem Wetter schwer gelitten. Auch da war es viel zu früh warm, und dann kam Ende April ein Wintereinbruch mit Frost. Die Apfelbäume standen gerade mitten in der Blüte. Die Blüten erfroren in der Kälte, die Ernte fiel dramatisch schlecht aus. Damit sich dies nicht wiederholt, sorgen Nüberlin und seine Kollegen vor. Doch viele Möglichkeiten haben sie nicht, die Bäume vor den Kapriolen des Wetters zu schützen.

"Die Temperaturen sind ein Dauerthema bei uns Bauern", sagt Nüberlin, der "nicht zu den Jammerern gehört" und als Optimist an die Regel glaubt, dass nach einer schlechten Ernte der Ertrag im Folgejahr besonders gut ausfällt. "Normalerweise müsste heuer eine Riesenernte kommen", doch die Parallelen zum vergangenen Jahr sind nicht zu übersehen. Nüberlin büßte die Hälfte seiner Ernte durch den Frost ein. Einige seiner Kollegen verloren 80 bis 90 Prozent der Früchte. Je weiter westlich ihre Felder lagen, umso schlimmer war es. Große Betriebe mit 50 Hektar Obstanbaufläche hätten einen finanziellen Schaden von bis zu 300 000 Euro erlitten. Kleinere mit fünf bis sechs Hektar Fläche immerhin noch bis zu 80 000 Euro Schaden. Dass es die Obstbauern im benachbarten Baden-Württemberg noch viel dramatischer erwischt hat, ist für Nüberlin freilich kein Trost. Im Ländle sagte die Staatsregierung aber sehr viel schneller Hilfe zu. In Bayern folgte für die Obstbauern zunächst eine Hängepartie, bis im September das Kabinett die Hilfszusagen von Landwirtschaftminister Helmut Brunner tatsächlich beschloss. 34 Millionen Euro sind im Haushalt für Entschädigungszahlungen vorgesehen. Bis zu 50 Prozent des entstandenen Schadens sollen damit ausgeglichen werden, der Höchstbetrag wurde auf 50 000 Euro festgelegt. In Härtefällen, wenn Betriebe in ihrer Existenz bedroht sind, kann die Hilfe auch höher ausfallen, dann ist eine Entschädigung bis zu 80 Prozent möglich. Wie viel tatsächlich ein Obstbauer erhält, steht noch nicht fest. "Das wird gerade ausgerechnet", berichtet Nüberlin. Orientiert sich Bayern an Baden-Württemberg, könnten es 750 bis 1800 Euro an Hilfsmitteln pro Hektar werden. Eine Versicherung gegen Ernteausfälle gibt es - anders als in Österreich - in Deutschland nicht.

Nüberlin ist dankbar für die staatliche Hilfe. Die zuständigen Beamten hätten sich tatsächlich am Ort ein Bild von der Situation gemacht. Er geht auch nicht davon aus, dass die 34 Millionen Euro komplett abgerufen werden müssen. Der Betrag werde in jedem Fall ausreichen, weil der Obstbau in Bayern ja bei Weitem nicht den Stellenwert habe etwa wie in Baden-Württemberg, sagt er. Außerdem hatten die Obstbauern wegen des Frostschadens geringere Erntekosten, weil es eben nicht viel zu ernten gab. Und was die Apfelbäume letztlich hergaben, verkaufen die Bauern jetzt zu höheren Preisen. Die Nachfrage bei Äpfeln sei enorm, sagt Nüberlin. 30 bis 40 Prozent lägen die Preise momentan über dem Schnitt, weil Bodenseeäpfel beliebt, aber nicht so leicht zu bekommen seien.

Im Hofladen der Familie Nüberlin fragen Kunden von weit her an, ob sie noch Äpfel bekommen könnten. Doch der Obstbauer lässt seinen Stammkunden den Vortritt. Etliche Sorten seien schon ausverkauft, und was noch übrig ist, soll bis in den Juni hinein reichen. Großhändler kann die Familie heuer nicht bedienen. "Wir verkaufen alles im Hofladen", sagt Nüberlin.

Doch wie schützt er nun seine Bäume vor einem möglichen Kälteeinbruch im Frühjahr. "Da gibt es so gut wie nichts", meint er zunächst und verrät dann doch, dass die Bäume heuer anders zugeschnitten werden. "Wir schneiden sehr zurückhaltend." Es werden also weniger Knospen weggenommen als üblich, damit sich die Chance erhöht, dass mehr überleben und im Herbst Früchte tragen. Zudem halten die Obstbauern das Gras rund um die Bäume kurz. So kann die Wärme leichter in den Boden eindringen und nachts, bei Frost, wieder herausstrahlen. Das schützt die Blüten zumindest ein bisschen. Martin Nüberlin hofft aber vor allem darauf, dass es Mutter Natur mit der Winterwärme nicht übertreibt. "Zum Ende der Woche soll es ja wieder kalt werden. Das ist mir sehr recht."

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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