München (dpa/lby) - Der Sportunterricht der Zukunft müsste nach Ansicht vieler Experten stärker auf die individuelle Vermittlung von Kompetenzen als auf das Erlernen und Benoten sportartspezifischer Leistungen ausgerichtet sein. „Wir müssen es schaffen, mehr Breite in den Sportunterricht zu bekommen“, sagte Susanne Tittlbach von der Universität Bayreuth bei einer Expertenanhörung im Bildungsausschuss des bayerischen Landtags am Donnerstag in München. Bislang hätten sportliche Kinder klare Vorteile, während Schülerinnen und Schüler mit einem anderen familiär oder kulturell geprägten Hintergrund Misserfolge erlebten.
In der Folge wendeten sich diese dann oft komplett von jeglicher sportlicher Betätigung ab. „Man kann demütigenden Sportunterricht vermeiden, indem man differenziert, indem man Angebote schafft, die jedem gerecht werden. Aber das ist nur möglich, wenn ich als Lehrkraft die Kapazitäten habe, auf jeden einzugehen“, schilderte der Landsberger Sportlehrer Thomas Oswald. Doch es gebe zu wenige Fachlehrer, die Gruppen seien oft viel zu groß, die Räume zu klein, ganz zu schweigen von geschlossenen Schwimmbädern oder anderweitig - etwa zur Flüchtlingsunterbringung - genutzten Hallen.
„Der Mangel an Bewegung ist eine sehr große Bedrohung für unsere Kinder und Jugendlichen“, warnte Ansgar Schwirtz von der TU München. Studien zeigen, dass sich der Nachwuchs viel zu selten im empfohlenen Umfang bewegt. Doch nicht nur in der Corona-Pandemie ist Sport oft das erste Fach, das ausfällt, wenn es Engpässe gibt.
Eine Chance, viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen, bietet der Ausbau der Ganztagsschulen im Freistaat. Doch Filip Mess von der TU München sieht hier großen Entwicklungsbedarf: „Wir haben viel zu wenig qualitativ hochwertige Programme, die wir im Ganztag implementieren können, und es geht auch nicht darum, die Kinder nur zu beschäftigen.“
Das sah auch der Präsident des Bayerischen Landessportverbands, Jörg Ammon, so. Bislang werden die Sportangebote an Ganztagsschulen häufig von Übungsleitern in deren Freizeit gestaltet. „Da wird sich eine Professionalisierung entwickeln, das wird mit ehrenamtlichen Mitarbeitern aus dem Sportverein nicht funktionieren“, betonte Ammon. Doch ausgebildete Sportlehrkräfte sind Mangelware. Ob und wie deren Ausbildung geändert werden sollte - darüber gab es ebenso verschiedene Meinungen wie über die Frage, ob das Fach künftig versetzungsrelevant sein und was in die Note einfließen sollte.
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