Landesparteitag der FDP Bayern:Mit Kampfgeist aus der Krise

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Die bayerische FDP fordert weitere personelle Konsequenzen und stärkt ihrer Chefin Leutheusser-Schnarrenberger den Rücken.

Max Hägler

Rainer Stinner ist ein Politiker, der sich diplomatisch auszudrücken weiß - der Bundestagsabgeordnete aus München ist außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Aber an diesem Wochenende redet er unverblümt: "Es muss mehr Blut fließen", zitiert er am Pult aus einer E-Mail, die er von einem Parteifreund bekommen hat. Es ist Landesparteitag der bayerischen Liberalen in Amberg, die Versammlung ist geprägt von den FDP-Niederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und von dem Wechsel weg von Parteichef Guido Westerwelle hin zu Philipp Rösler.

Die wiedergewaehlte Landesvorsitzende der FDP Bayern, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, nimmt in Amberg auf dem Landesparteitag der FDP Bayern die Glückwuensche von Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) entgegen. (Foto: dapd)

Vielen FDP-Mitgliedern in Bayern reichen die bisherigen personellen Konsequenzen nicht aus. Ein führender Jungliberaler zetert im Foyer über Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, während er Weißwürste zerfleischt. Stinner spricht von großer Unruhe in der Fraktion und davon, dass es dort spätestens im Herbst Änderungen geben werde. Anstatt Personalien im Präsidium auszukungeln, solle es künftig Urwahlen geben, fordert Stinner. Alle Delegierten folgen der Losung, die Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Landesvorsitzende und Bundesjustizministerin, ausgegeben hat: "Hier auf dem Parteitag dürfen wir die Lage der FDP nicht beschönigen."

In ihrer Rede gibt sich Leutheusser-Schnarrenberger dann sehr kämpferisch. "Wir sind nicht verzagt", ruft sie den Delegierten zu und fordert - freilich ohne konkret zu werden - weitere personelle Konsequenzen. "Einer allein wird es nicht schaffen", sagt sie. Die FDP müsse kämpfen und für ihre Ideale einstehen. Glaubwürdigkeit könne man nicht zurückgewinnen, indem man den Menschen nach dem Mund rede und das politische Geschäft an Umfragen ausrichte. "Glaubwürdigkeit hat viel mit Standhaftigkeit, Beharrlichkeit und Berechenbarkeit zu tun", betonte sie. Den Weg aus der aktuellen Krise werde die FDP "nur im Team und mit einer breiten Themenpalette" schaffen. "Wir dürfen uns jetzt nicht auseinanderdividieren lassen in Jung und Alt, Links und Rechts, in Wirtschafts- und Bürgerrechtsliberale."

Inhaltlich fordert Leutheusser-Schnarrenberger ihre Partei auf, sich noch stärker als Freiheits- und Bürgerrechtspartei zu profilieren. "Wir haben Kurs gehalten bei der Verteidigung der Bürgerrechte in dieser Bundesregierung", sagt sie. Und mit Blick auf die aktuellen Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer in der SZ, die Union wolle sich von der FDP-Schwäche nicht "infizieren" lassen, fügt die Bundesjustizministerin hinzu: "Wir wollen weiter den Freiheitsvirus in die Koalition bringen - und wir wollen, dass Herr Seehofer damit infiziert wird." Die Delegierten honorieren Leutheusser-Schnarrenbergers Kampfgeist. Mit 91 Prozent der Stimmen wird sie in ihrem Amt als Landesvorsitzende bestätigt. Damit ist sie klar in ihrem Anspruch auf den Stellvertreter-Posten in der Bundes-FDP bestärkt.

Auch Leutheusser-Schnarrenbergers Vize, Wirtschaftsminister Martin Zeil, wird in seinem Amt bestätigt. Zeil zählt in seiner Rede erst die Erfolge der Liberalen in Bayern auf - von der Beinahe-Vollbeschäftigung bis zum BayernLB-Untersuchungsausschuss. Dann zeigt er auf Berlin: "Wir haben auf Bundesebene Fehler gemacht. Mitunter auch schwere." Wahlversprechen, etwa zur Steuersenkung, seien nicht eingelöst worden. In der Finanzkrise habe man keine Haltung gezeigt. Dass Zeil nur lauen Beifall für seine Rede bekommt, dürfte damit zu tun haben, dass die FDP auch in Bayern seit Monaten zu kämpfen hat. Auf nur noch vier Prozent kam sie bei einer Umfrage im März. Mancher im Saal schreibt das Zeil zu, der zu wenig energisch sei. Doch kritisiert wird nur im Zwiegespräch, nach außen hin ist die bayerische Front geschlossen. Seinen Vize-Posten behält auch der Bezirkschef der Niederbayern-FDP, Andreas Fischer. Karriere macht Landtagsfraktionschef Thomas Hacker, der neuer Partei-Vize wird. Generalsekretärin bleibt Miriam Gruß, wenn auch nur mit einem knappen Votum. Ihr Abschneiden ist wohl Ventil für den Unmut über die Bundespolitik.

Wie die CSU wollen die bayerischen Liberalen nun vor allem in der Energiepolitik punkten. Zeil hat dazu einen Leitantrag eingebracht, in dem die bisher so atomfreundliche Partei einen beschleunigten Ausstieg verlangt. Anders als die CSU, die dafür nur zehn Jahre veranschlagt, wollen die Liberalen jedoch keinen konkreten Zeitraum nennen. Aber auch sie fordern nun, dass der Alt-Reaktor Isar1 abgeschaltet bleibt. Und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien soll bis 2025 von 26 auf über 40 Prozent steigen, etwa durch die Förderung von Wasserkraftwerken, Biomasseanlagen und einen Ausbau der Windkraft. Zugleich setzt die FDP auf Energiesparen und zusätzliche Gaskraftwerke. Auch den Bau von Stromspeichern und Stromleitungen will sie erleichtern.

Vier Stunden diskutieren die Delegierten darüber - engagiert, aber nicht begeistert. Es sind ungewohnte neue Positionen, sagen viele und zweifeln an, ob sie der richtige Weg für die FDP sind.

© SZ vom 11.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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