Länderfinanzausgleich:Seehofers einsamer Weg nach Karlsruhe

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Horst Seehofer hat genug: Mit Milliardenzahlungen an die armen Bundesländer soll in der bisherigen Form Schluss sein. Er will vor dem Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs erzwingen. Doch so wie es aussieht, muss er diesen Gang allein antreten.

Birgit Kruse

Horst Seehofer hat genug davon, den armen Bundesländern mit jährlichen Milliardenzahlungen unter die Arme zu greifen. Er will vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen und klagen, um eine aus bayerischer Sicht gerechtere Lösung zu erreichen. Unterstützung erhält der Ministerpräsident von seinen Kabinettskollegen, die in der letzten Sitzung vor der Sommerpause an diesem Dienstag einer entsprechenden Vorlage zugestimmt haben.

Seehofer selbst äußerte sich nach der Sitzung nicht vor der Presse. Doch sein Finanzminister Markus Söder und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) zitierten ihren Chef mit den Worten: "Bayern ist solidarisch, der Länderfinanzausgleich ist es nicht." Dafür verteidigt Seehofer auf seiner Facebook-Seite seine Pläne: "Wir sind solidarisch", ist dort unter dem Kürzel "HS" zu lesen. "Aber wenn einer mehr als die Hälfte zahlt und zwölf andere nehmen, dann ist das nicht fair."

Grund des bayerischen Unmutes ist, dass das Bundesland allein im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der insgesamt 7,3 Milliarden Euro des Länderfinanzausgleiches zahlte - knapp 3,7 Milliarden Euro. Bis 2013 könnten die Zahlungen auf 4,2 Milliarden Euro ansteigen. Für Seehofer ist das System damit "aus dem Ruder gelaufen".

Söder und Zeil verteidigten den Beschluss des Kabinetts. Bayern zahle inzwischen Jahr für Jahr so viel Geld in den Finanzausgleich ein, wie es zuvor über mehrere Jahrzehnte hinweg insgesamt bekommen habe. "Wir sind solidarisch, aber blöd sind wir nicht", sagte Söder.

Er wies daraufhin, dass man im nächsten Doppelhaushalt 2013/2014 für den Finanzausgleich 8,2 Milliarden Euro habe einstellen müssen - also knapp zehn Prozent des gesamten Haushalts für andere Länder reserviert seien. "Wir wollen einen Länderfinanzausgleich, der die Nehmerländer dabei unterstützt, ihre Ausgaben aus eigener Wirtschafts- und Finanzkraft zu bestreiten, so wie Bayern es als ehemaliges Nehmerland auch geschafft hat", sagte Söder.

Bereits im Januar hatte sich Bayern gemeinsam mit den Geberländern Baden-Württemberg und Hessen zu einer Kabinettsklausur in Stuttgart getroffen. Damals war man sich einig, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, sofern die Empfänger nicht zu ernsthaften Gesprächen bereit wären. Man hatte ihnen eine Frist bis zur Sommerpause gesetzt. Die ist nun verstrichen, die Geduld des bayerischen Ministerpräsidenten am Ende. Bis Herbst soll die Klageschrift ausgearbeitet werden.

Hessen zögert

Doch so wie es derzeit aussieht, muss Bayern erst einmal alleine den Gang nach Karlsruhe antreten. Baden-Württemberg will sich an der Klage nicht beteiligen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa hatte die Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung bis zuletzt noch nicht ganz aufgegeben. Auch Hessen zögert, umgehend Klage einzureichen. Seehofer betonte am Dienstag im Kabinett, dass Bayern nach wie vor den Schulterschluss mit Hessen suche und eine gemeinsame Klage anstrebe.

Allerdings ist Seehofer Alleingänge gewohnt, sie gehören quasi zur politischen Grundausstattung eines bayerischen Ministerpräsidenten. Außerdem stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen in Bayern an und die CSU kämpft wieder um die alleinige Mehrheit im Freistaat. Auch wenn sich die Christsozialen optimistisch geben, sicher ist der Sieg nicht. Da kommt es auf die richtigen Themen an, der Länderfinanzausgleich und die damit verbundenen Milliarden, die den Bayern dadurch entgehen, könnten sich gut eignen - auch wenn es bis zur Landtags- und zur Bundestagswahl 2013 wohl keine Entscheidung geben wird.

Dass der Freistaat selbst jahrzehntelang - bis 1986, letztmalig 1992 - auf die Hilfen der anderen Länder angewiesen war und unter anderem nur aufgrund der Zahlungen vom Agrar- zum Hightechland werden konnte, spielt bei den Überlegungen von Seehofer derzeit offenbar keine Rolle. Die Unterstützung für seine Position in seiner Regierung ist jedenfalls schon jetzt groß. Etwa beim Koalitionspartner FDP. Zeil sagte am Dienstag im Kabinett: "Der Finanzausgleich in seiner jetzigen Form bestraft gute Politik und betont politisches Nichtstun."

Der liberale Fraktionschef Thomas Hacker betonte, dass die FDP bereits 2010 in einem Gutachten die Verfassungswidrigkeit feststellen hat lassen. "Wir haben das Thema angestoßen", sagte er und bescheinigte Seehofer zugleich, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Es könne nicht sein, dass Bayern eine solide Finanzpolitik betreibe, "nur um schließlich immer mehr Überschüsse abgeben zu müssen an Länder, die weniger verantwortlich mit ihren Finanzen umgehen als wir in Bayern".

Die Opposition ist entsetzt. Schon vor dem Kabinettsbeschluss kritisierten die Grünen im Landtag die Klagepläne der Staatsregierung als "unredlichen Populismus", so der finanzpolitische Sprecher Eike Hallitzky. Die geltenden Regelungen seien nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beschlossen worden. Daran sei auch die Staatsregierung beteiligt gewesen. Der Länderfinanzausgleich sei also nicht nur "verfassungsfest, sondern auch von Bayern selbst verhandelt". Zudem rechnet Hallitzky damit, dass eine mögliche Klage in Karlsruhe die Fronten zwischen Gebern und Empfängern zusätzlich verhärten könnte. Er bescheinigt CSU und FDP "Politikunfähigkeit".

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit guter Laune vor der Kabinettssitzung. (Foto: dapd)

SPD-Chef Florian Pronold wirkt fast schon belustigt. Er schaue der Klage "mit großem Vergnügen entgegen", sagte er noch vor der Kabinettssitzung. Denn dann müsse Seehofer erklären, warum er 2001 im Bundestag für den Länderfinanzausgleich gestimmt hat und nun dagegen klagen will.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verteidigte indes die Haltung der Staatsregierung. "SPD und Grüne verraten die bayerischen Interessen", poltert er. Denn ihnen sei es "völlig gleichgültig", dass der Steuerzahler für die Misswirtschaft anderer Länder wie etwa Bremen oder Berlin aufkommen müsse.

Gegenwind gegen die bayerischen Pläne kommt aber auch aus Berlin und den anderen Bundesländern. Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer der Linken, wertet die geplante Klage als "Bruch mit dem Grundgedanken unserer Verfassung". Wer die Solidarität besonders mit den anderen Bundesländern aufkündige, fördere Konkurrenz und den Ausbau ungleicher Lebensverhältnisse in Deutschland, kritisierte er.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verwies auf Artikel 107 des Grundgesetzes. Darin ist festgeschrieben, "dass der Grundsatz des angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zu berücksichtigen sei". Bund und Länder hätten sich 2001 auf dieses System geeinigt, das bis 2019 Gültigkeit habe, so Wowereit. Berlin sei erst nach 2020 zu einer Neuregelung bereit.

"Wir fürchten die Klage nicht"

In Bremen sieht man den Plänen aus Bayern indes gelassen entgegen. "Wir fürchten die Klage nicht", sagte Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne). Bei dem Länderfinanzausgleich handele es sich um "einen Rechtsanspruch und nicht um ein Almosen".

Auch in Niedersachsen hält sich die Aufregung in Grenzen. Ministerpräsident David McAllister (CDU) gibt sich gelassen: "Unterschiedliche Positionen der Bundesländer zum Länderfinanzausgleich sind nicht ungewöhnlich", heißt es aus der Staatskanzlei in Hannover. Es gebe Vereinbarungen und die seien bis 2019 "für alle Seiten bindend."

Die nordrhein-westfälische Landesregierung bezeichnet Seehofers Pläne als unsolidarisch. Bayern sei von 1950 bis 1986 ausschließlich Nehmerland gewesen, sagte Finanz-Staatssekretär Rüdiger Messal. "Jetzt, wo sie nicht mehr profitieren, klagen sie." Das habe nichts mit Solidarität zu tun. Die CSU brauche offenbar ein populäres Thema im Wahlkampf. Das sieht auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) so.

"Absolut unseriös"

Eine Meinung, die auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier teilt. "Horst Seehofers Attacke gegen die föderale Solidarität ist absolut unseriös", sagte er in Berlin und sprach von einem "durchsichtigen Manöver im bayerischen Vorwahlkampf".

Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf dem CSU-Chef "billigsten Populismus" vor: "Horst Seehofer panikt vor der Landtagswahl." Bayern wolle die Hand beißen, die es jahrelang gefüttert habe. Wenn Seehofer anderen die Solidarität wegnehmen wolle, von der Bayern fast 40 Jahre profitiert habe, sei dies unverschämt. Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Eine weitere hitzige Debatte zum Thema wartet bereits morgen auf Horst Seehofer. Dann will sich der bayerische Landtag mit der Klage in Karlsruhe befassen.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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