Kristallbad in Fichtelberg:Ruinöser Stillstand

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Das Bild zeigt die Ruine der Kristalltherme am Tag nach dem Brand. Sehr viel anders sieht es dort auch heute noch nicht aus. (Foto: David Ebener/dpa)

Vor eineinhalb Jahren ist in Fichtelberg die Therme ausgebrannt. Seither ist das Klima vergiftet, weil man sich nicht einigen kann, wer das Bad wieder aufbauen soll. Gemeinderäte beschimpfen einander als "Kasper", ein juristisches Scharmützel jagt das nächste - und die Gäste bleiben fern.

Von Olaf Przybilla

Natürlich hat Karina Rasp mitgeholfen am 12. Mai 2012, das haben sie ja fast alle im Dorf. Von ihrer Pension in Fichtelberg aus sind es keine zwei Minuten zur Therme, aus der die Gäste an jenem Abend in Badeschlappen flüchteten. Das Bild von Menschen in Bademänteln vor lodernder Therme hat sich eingebrannt ins Gedächtnis des Ortes. Und trotzdem, sagt die Pensionsinhaberin, war da kaum das Gefühl von Niedergeschlagenheit. Eher von Zusammengehörigkeit: Alle haben das verheerende Feuer überstanden, ohne dass ein Mensch zu Schaden gekommen ist dabei. Und alle haben sie geholfen.

Wer mit Karina Rasp ein paar Wochen nach dem Feuer ins Gespräch kam, erlebte eine ernüchterte Frau. Da waren die ersten Schreiben eingegangen von Gästen, die Zimmer gebucht hatten. Vor dem Brand. Das Fax wollte gar nicht stillstehen in den Tagen danach, der Ton war immer derselbe: Schlimm, was da passiert ist bei euch.

Und am Ende las sie dann oft die Wendung "werden Sie sicher Verständnis haben". Klar hatte Rasp Verständnis: Wer verbringt seinen Urlaub schon gerne neben einer Brandruine? Sie akzeptierte die Stornierungen, musste sie ja. Und außerdem war da auch noch Hoffnung. Alle im Dorf wollten ein neues Bad, immerhin.

Ein Jahr später ist davon nichts übrig geblieben. "Hier hat sich nichts getan", sagt sie. Im Gegenteil: Gäste kämen nun noch weniger. Eine Gruppe, die immer kommt, war kürzlich da. Ein Arbeiter hat in der Pension übernachtet. Ansonsten Leerstand.

Die Containerfirma kippte den Brandschutt wieder aus

Natürlich, die Brandstelle ist nun aufgeräumter. Teile, die einzustürzen drohten, sind weg, der Schutt aus den Becken auch. Und neulich hat ein Entsorgungsunternehmer seine Container vor dem abgebrannten Bad abgeholt. Eigentlich gut, sollte man meinen. Wäre da nicht dieses Detail: Unbeglichener Rechnungen wegen hat die Firma den Brandschutt aus den vollen Containern direkt vor die Ruine gekippt. Nicht weit entfernt von Rasps Pension. So was muss man als Gast schon mögen.

Die Gemeinde hat den Unternehmer angezeigt, das aber ist nur das jüngste aller juristischen Scharmützel im Ort. Fast anderthalb Jahre nach dem Brand weiß zwar immer noch keiner, warum dieser ausgebrochen ist. Aber eines, sagt Marianne Specht, die Vorsitzende des Fremdenverkehrsvereins, weiß inzwischen jeder in Fichtelberg: "Dieses Dorf ist gespalten." Und zwar in solche, die das Bad wieder aufbauen wollen mit dem bisherigen Betreiber, Heinz Steinhart, der sich einst als "Bäderkönig" einen Namen gemacht hat. Und solchen, die diesen Mann nicht mehr im Dorf sehen möchten, nicht im Gemeinderat und schon gar nicht in irgendeiner neuen Therme.

Die juristische Schlacht, die hauptsächlich zwischen Steinhart und dem Bürgermeister des Dorfes, José-Ricardo Castro Riemenschneider, ausgetragen wird, lege das ganze Dorf lahm, klagt Specht. Im Gemeinderat fliegen inzwischen bei jeder Sitzung die Fetzen, unlängst hat man fast die Polizei holen müssen, weil die Sitzung so eskalierte. "Die Stimmung hier ist so vergiftet, es ist nur noch beängstigend", sagt die Frau vom Fremdenverkehrsverein.

Specht selbst führt einen Gasthof in der 15. Generation. Am 27. April 2012 hatte sie das erweiterte Haus eingeweiht, keine drei Wochen vor dem Feuer. Alles ist jetzt behindertengerecht, die Zukunft versprach rosig zu werden. Ein Haus im wohlbekanntesten Fremdenverkehrsort des Fichtelgebirges, samt Bad mit Blick in die Oberpfalz. 30 Zimmer bietet das Haus der Spechts. Drei davon sind derzeit belegt.

Egal, wen man fragt im Dorf: Alle juristischen Streitigkeiten bekommt kaum einer zusammen. Da ist der Streit vor dem Oberlandesgericht Bamberg zwischen dem Badbetreiber und der Gemeinde. Es geht vor allem darum, wer wem noch Geld schuldet und ob die Gemeinde rückwirkend aus dem Vertrag mit dem Unternehmer rauskommt, weil dieser schon vor dem Brand angekündigt haben soll, das Bad "plattzumachen" - es also wegen hoher Defizite zuzusperren.

Vor dem Landgericht Nürnberg steht ein Streit ins Haus wegen der Brandschutzversicherung: Der Betreiber verklagt die Versicherung, diese spielt auf Zeit, solange nicht klar ist, wie der Brand ausbrechen konnte. Zusätzlich hat Steinhart, der nicht mit der SZ sprechen will, die Gemeinde angezeigt, angeblicher Steuerhinterziehung wegen. Nun wurde noch der Entsorgungsunternehmer angezeigt. Und über alledem schwelt der wohl schwerste Brand im Dorf: der im Gemeinderat.

Im Gemeinderat fliegen die Fetzen

Wer mit dem CSU-Ortschef Jürgen Köferl spricht, bekommt zu hören, dass es der Bürgermeister ist, der Mann vom Christlich Sozialen Förderkreis (CSF), der die Lunte gelegt hat. Eine SPD gebe es nicht im Dorf, leider, klagt Köferl, "das sind Demokraten, mit denen kann man reden". Der CSF aber? "Demokratie haben die hier abgeschafft", schimpft er. Einen Bürgerentscheid wollte die CSU, für eine Zukunft des Bades mit Steinhart. Mit Spitzfindigkeiten sei das verhindert worden.

Er sei kein Freund von Steinhart, beteuert Köferl, den halte er für "ein Alphatier". Aber ohne Steinhart habe der hochverschuldete Ort in Oberfranken gar keine Chance auf ein neues Bad. Köferl ist der Mann, der einen Kollegen im Gemeinderat jüngst als "Kasper" bezeichnet hat, samt anschließendem Tumult. Eine Sitzung später bezeichnete er den Bürgermeister als Lügner. Das stimme doch so, wiederholt Köferl im Gespräch, "der Herr lügt andauernd".

Der Angesprochene, Bürgermeister Castro Riemenschneider, wirft Köferl seinerseits Hassgefühle und Verleumdungen vor: "Köferl vertritt eine Mentalität der verbrannten Erde", sagt er. Nur die CSU sei es, die noch auf Steinhart setze, sie allein sei für den Riss durchs Dorf verantwortlich. Denn das Tischtuch zwischen Steinhart und dem Ort sei zerschnitten, spätestens seit den juristischen Scharmützeln.

Eine Zusammenarbeit werde es nicht mehr geben. "Das Thema wäre längst erledigt, wenn uns nicht fünf Leute in den Rücken gefallen wären", sagt der Bürgermeister und meint damit die CSU-Gemeinderäte, die weiter mit Steinhart sprechen wollen. Der Bürgermeister lehnt das ab: "Es gibt nichts mehr zu sprechen." Ein neues Bad könne der Ort auch alleine schultern.

Köferl findet das "lächerlich". Alleine die nun notwendigen Gerichtskosten drohten den Ort vollends lahmzulegen. Genau das sei das Schlimme in Fichtelberg, sagt Pensionsinhaberin Rasp. "Der eine sagt Hü, der andere schon deshalb Hott." Sie überlege nun, ob sie statt einer Pension ein Altersheim eröffnen soll .

© SZ vom 09.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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