Krisentreffen:Merkel zeigt Verständnis für Kommunalpolitiker

Lesezeit: 2 min

Deggendorfs Landrat Christian Bernreiter hatte die Kanzlerin um das Gespräch gebeten. (Foto: Manfred Neubauer)

Delegation aus Bayern schildert der Kanzlerin in Berlin zweieinhalb Stunden lang die Folgen der Flüchtlingskrise

Von Christian Sebald, München

Zwei Stunden hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter und den anderen Vertretern der kommunalen Spitzenverbände im Freistaat am Montag eingeräumt, um ihr über Flüchtlingssituation an der bayerisch-österreichischen Grenze zu berichten. Am Ende dauerte das Gespräch zweieinhalb Stunden. Und es war offenkundig sehr intensiv. Zwar machte Merkel den Kommunalpolitikern keine konkreten Zusagen. "Aber die Kanzlerin ist voll drin in dem Thema, sie hat die Beispiele, die wir ihr von der Situation in unseren Gemeinden berichtet haben, regelrecht aufgesaugt", sagte Bernreiter, der Merkel als Präsident des Landkreistags um das Krisengespräch gebeten hatte. "Wir nehmen das gute Gefühl mit, dass sie an tragfähigen Lösungen arbeitet."

Außer Bernreiter nahmen auch der Nürnberger OB und Städtetagschef Ulrich Maly (SPD) und der Abensberger Bürgermeister und Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) an dem Treffen teil. Die Delegation hatte sich fest vorgenommen, Merkel gegenüber kein Blatt vor den Mund zu nehmen. "Denn die Lage spitzt sich ja immer weiter zu", sagte Bernreiter. "Die Stimmung ist inzwischen sehr angespannt." So hätten immer mehr Kommunalpolitiker, aber auch die Bevölkerung den Eindruck, dass die Bundespolizei gleichsam als "Begrüßungskomitee für die Asylbewerber an der Grenze steht". Denn an den gelben Armbändern der Flüchtlinge erkenne man deutlich, dass sie bereits in Österreich registriert worden seien. Dennoch kämen sie völlig unbehelligt nach Bayern. "Das regt die Leute auf", sagte Bernreiter. "Da muss endlich was passieren."

Der unverminderte Andrang ist nicht das einzige Thema, das den bayerischen Kommunalpolitikern auf den Nägeln brennt. Auch die hohe Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ist ein immenses Problem für sie. "Wir haben der Kanzlerin erklärt, dass wir sie nicht weiter nach den hohen Standards der Jugendhilfe versorgen können, auf die sie bisher Anspruch haben", sagte Bernreiter. "Denn das ist unfinanzierbar." Der Nürnberger OB Maly forderte, dass sich der Bund noch stärker im Wohnungsbau engagieren müsse. Schon nach dem Flüchtlingsgipfel bei Merkel in der vergangenen Woche hatte er angemahnt, dass das Geld dafür " über die vereinbarte Summe von zusätzlich 500 Millionen Euro hinaus weiter deutlich erhöht werden muss". Die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sei für Einheimische und Zuwanderer gleichermaßen absolut vorrangig, lautet Malys Credo. Nur so könne man Konflikte vermeiden helfen.

Merkel äußerte großes Verständnis für die massiven Probleme der Kommunen. "Die Kanzlerin hat mehrfach betont, dass sie mit Hochdruck an Lösungen arbeitet", erklärte Bernreiter. "Zwar hat Merkel auch erklärt, dass wir keine Mauern um Deutschland herum errichten können und eine grundsätzliche Verbesserung nur durch eine gemeinsame europäische Außenpolitik zustande kommen wird." Aber Merkel wolle offenkundig ernst damit machen, dass Flüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl von nun an schnell in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Auch für die drängende Wohnungsproblematik habe die Kanzlerin Verständnis gezeigt. "Wir haben wirklich den Eindruck gewonnen, dass unsere angespannte Lage bei Merkel angekommen ist", sagte Bernreiter.

Derweil ist die Zahl der Flüchtlinge an den bayerischen Grenzen erneut angestiegen. "Es gibt keine Entspannung", sagte ein Sprecher der Bundespolizei am Montag. "Die Zahl der Flüchtlinge ist sehr hoch und die Unterkünfte sind voll." Allein in der Region Passau reisten zuletzt täglich zwischen 4000 und 4500 Asylbewerber ein. Am Sonntag meldeten die Behörden der Stadt 7200 Flüchtlinge - allein an diesem Tag. Während der Nacht zum Montag mussten knapp 3000 Menschen in Passau untergebracht werden. In der Dreiländerhalle übernachteten 1000 Flüchtlinge, eigentlich ist sie nur für 750 Menschen ausgelegt. Weitere 350 Asylbewerber, die sich um Mitternacht am Passauer Bahnhof aufhielten, wurden dort in einem abgestellten Zug einquartiert und dort in den frühen Morgenstunden verpflegt. Allein am Montagvormittag kamen am Passauer Bahnhof etwa 400 Migranten mit Sonderzügen an.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: