Klausur:SPD sucht ihre Rolle in Bayern

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Fraktionschef Rinderspacher betont Kompetenzen in der Sozialpolitik

Von Christian Rost, Irsee

Der Fraktionsvorstand der Bayern-SPD bekommt bei seiner Klausur im Kloster Irsee kalte Füße. Fraktionschef Markus Rinderspacher steht am Dienstag wie die anderen Genossen in dünnen Lederschuhen im Schnee vor der ehemaligen Benediktiner-Abtei und friert. Um ein gutes Bild abzugeben, schreiten die Landtagsabgeordneten von Fernsehkameras begleitet zum Portal des Klosters, um dann endlich hinein ins Warme schlüpfen zu können. Ob es bei der Aussprache hinter verschlossenen Türen dann so kuschelig zugeht, wie diese Bilder vermitteln sollen, darf bezweifelt werden.

Die jüngste Umfrage zur Wählerzustimmung ist für die bayerische SPD mit 14 Prozent niederschmetternd und liegt wie ein Schatten über der traditionellen Klausur der Landtagsfraktion im Allgäu. Es ist ein Déjà-vu: Am selben Ort vor einem Jahr leckten die Sozialdemokraten nach einer Wahlumfrage ebenfalls ihre Wunden - 16 Prozent lautete damals das Ergebnis, worüber man sich heute fast schon freuen würde. Die Stimmung in der Fraktion ist entsprechend gedämpft: "Es gibt nicht nur Zufriedenheit. Es gibt auch Ängste, dass man sein Mandat verliert", gibt Rinderspacher zu. Es brennt also bei der bayerischen SPD, und sie sucht verzweifelt nach einem Löschmittel.

Ehe der Fraktionschef die Themen benennt, mit denen er die Partei aus dem Tief holen will, versucht er noch, aus der aktuellen Wahlumfrage Positives herauszulesen. 34 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass die SPD im Landtag gute Arbeit leiste. Das sei ein Plus von sieben Prozent. "Ein deutlich besseres Ergebnis als im Vorjahr", so Rinderspacher. Und dann spricht er aus, was sich gerade jeder im Raum fragt: "Redet er sich's schön?" Nein, schickt Rinderspacher hinterher, aber immerhin werde seine Partei als "Marktführer" in Sachen soziale Gerechtigkeit wahrgenommen.

Schon vor der Klausur hatte er erklärt, dem Negativtrend mit Sachthemen begegnen und das Profil der Partei weiter schärfen zu wollen. Auch in Irsee hält er daran fest und präsentiert die Ergebnisse einer anderen Umfrage, die diesmal nicht der BR, sondern die SPD in Auftrag gegeben hat. Die Studie zur "Sozialen Situation und Gerechtigkeit in Bayern" untermauert die Forderungen der Sozialdemokraten. So halten 57 Prozent der mehr als 1000 Befragten die Einkommens- und Vermögensverteilung im Freistaat für "eher ungerecht". 76 Prozent gaben an, dass nicht alle Landesteile wirtschaftlich gleichwertige Lebensverhältnisse bieten. Und zur Frage, ob in den Schulen Chancengleichheit bei allen Kindern herrsche, unabhängig von ihrer Herkunft, sagen 55 Prozent der Menschen: nein. 81 Prozent sprechen sich für eine stärkere Besteuerung Vermögender aus. Die Mehrheit der Bayern liegt demzufolge also ganz auf einer Linie mit der SPD - gewählt wird sie trotzdem nicht. Was will die Partei dagegen unternehmen?

Wie schon im Januar 2016 sagt Rinderspacher, dass sich die SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit positionieren müsse. Und wenn sich dann wieder die politische Großwetterlage ändere und nicht mehr ausschließlich über Flüchtlinge und Sicherheit geredet werde, "kommen wir auch aus dem Umfragetief". Beim Führungspersonal der Partei sieht der Fraktionschef jedenfalls keinen Änderungsbedarf. Diese Diskussion komme jetzt "zur Unzeit".

Ködern wollen die Sozialdemokraten verstärkt christliche Wähler, die von der scharfen Rhetorik der CSU abgeschreckt sind. Kardinal Reinhard Marx, der sich am Dienstagnachmittag zwei Stunden mit der Fraktion austauschte, ließ sich aber nicht von den Genossen einspannen. Er sei offen für Gespräche mit den Parteien, sagt er, und bedient sich bewusst des Plurals. Und: Es brauche Parteien verschiedenster Ausrichtungen im Land. Parteienschelten bezeichnet er als "schlecht". Zur SPD sei er gerne gekommen, um über die Globalisierung oder den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sprechen. "Wobei ich eingeladen wurde und mich nicht aufgedrängt habe", betont Marx.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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