Initiative gegen Nazis in Oberfranken:Verhindern, dass der braune Funke überspringt

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Neonazis in Oberfranken: Die Tür des braunen Bunkers. (Foto: picture alliance / dpa)

Immer wieder haben Rechtsextreme in Bayern versucht, eine Immobilie zu kaufen, in Oberfranken waren sie erfolgreich. In dem kleinen Ort Oberprex haben sie einen ehemaligen Gasthof zum "Nationalen Zentrum Hochfranken" erklärt. Eine Initiative kämpft dagegen an.

Von Olaf Przybilla, Oberprex

Der Weg zum "Nationalen Zentrum Hochfranken" führt von der schmucken oberfränkischen Gemeinde Regnitzlosau einen sanften Hügel hinauf in Richtung des Ortsteils Prex. Oben weisen Schilder in Richtung Dreiländereck, die Grenzen zu Sachsen und Tschechien sind hier nur ein paar Kilometer entfernt.

Oberprex liegt noch hinter Prex, 87 Menschen leben dort, die meisten führen nebenher einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Blick von der Höhe ist eindrucksvoll, was wohl ein Grund dafür war, dass es in dem winzigen Ort früher zwei Gastwirtschaften gab. Die eine am Ortsausgang gibt es noch. In der anderen, direkt am Ortseingang gelegen, treffen sich regelmäßig Neonazis aus Franken, Sachsen und Tschechien.

Oberprex 47 lautet die Anschrift, Straßennamen gibt es hier nicht. Das Haus wirkt wie ein Bunker: Die Fenster sind vergittert, die Jalousien im Erdgeschoss heruntergelassen. Nähert man sich dem Anwesen in der Dämmerung, flammt automatisch Licht auf. Ein Schild macht darauf aufmerksam, dass das Haus videoüberwacht wird. Es gibt zwar einen Klingelknopf, klingeln aber kann man nicht damit.

"In dem Haus wohnt keiner mehr", sagt Hansjürgen Kropf, der Bürgermeister der Gemeinde. Dafür finden dort jetzt "Nationale Infoveranstaltungen" statt. Kürzlich schilderte ein "Historiker" in Oberprex 47, "wie das Deutsche Reich durch interessierte Kreise im Ausland in den Zweiten Weltkrieg hineingezwungen" worden sein soll. So ist es auf der Internetseite des neonazistischen "Freien Netz Süd" nachzulesen.

"Wir hatten keine Chance"

In Bayern gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche von Rechtsextremisten, eine Immobilie zu kaufen. Ohne Erfolg. In Wunsiedel und Warmensteinach war es den Kommunen ebenso gelungen, einen Erwerb zu verhindern, wie in Halsbach bei Altötting, wo es der Nazi Martin Wiese versucht hatte. Oberprex aber im Kreis Hof hat den Kampf gegen die Einrichtung eines braunen Zentrums verloren. Beziehungsweise hat man ihn nie wirklich aufnehmen können: "Wir hatten keine Chance", sagt der Bürgermeister.

Rechtsextreme in München
:Die Nazis von nebenan

Seit einem Jahr wohnen in München-Obermenzing Rechtsextreme, ihr Haus hat sich zum Treffpunkt für Neonazis in Südbayern entwickelt. Die Vermieterin hat der WG längst gekündigt, doch das Trio ist immer noch da. Nachbarn, Nazigegner und Politik sind weitgehend machtlos - und beäugen sich gegenseitig argwöhnisch.

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Denn erworben habe die Immobilie, den früheren Gasthof "Egerländer", vor drei Jahren die Mutter eines Neonazis, die "selbst nicht Mitglied in der Szene" ist, wie Kropf sagt. Und deren Sohn, der einschlägig bekannte Neonazi Tony Gentsch, verteilte bald nach dem Hauskauf Pamphlete auf den Höfen des Örtchens.

Für die Diakonin Sabine Dresel lesen sich diese heute wie ein perfider Witz: "In Oberprex wird weder geplant", schrieb Gentsch damals, "dass hier ein braunes Zentrum entsteht, noch soll von hier aus Hass und Gewalt ausgeübt werden. Das Gebäude wird rein zu Wohnzwecken genutzt, wo natürlich auch mal Geburtstage gefeiert werden."

Dresel sitzt im evangelischen Gemeindezentrum von Regnitzlosau, in einem improvisierten Büro. Eigentlich wird der Raum als Gemeindesaal genutzt, der Fußboden ähnelt dem einer Turnhalle. Irgendwann werde ihr Büro wohl mal wie eines aussehen, hofft Dresel, aber vorerst ist das nicht das Wichtigste. Ihre Stelle gab es vorher nicht, und man darf sagen, dass es eine solche Stelle auch sonst nicht gibt in Bayern.

"Jugendarbeit und Extremismusprävention in Regnitzlosau" lautet die Beschreibung, finanziert wird sie von der evangelischen Gemeinde, vom Ort Regnitzlosau, vom Landkreis und privaten Spendern. "Von Leuten, die sagen: Die Oberprexer dürfen wir doch jetzt nicht alleine lassen damit", sagt Dresel. Sie war vorher Diakonin in Altötting. Die Auseinandersetzung um die Immobilie in Halsbach hat sie damals begleitet - nur dass diese erfolgreich verlief. Aber Dresel ahnt seither, was das machen kann mit einem Dorf, wenn plötzlich die Nazis vor der Tür stehen.

Die Diakonin will nun an die Schulen gehen, sie will Lehrer sensibilisieren, Jugendlichen Freizeitangebote machen, lokale Bündnisse vernetzen und so verhindern, dass der braune Funke überspringt. Aus dem Bunker auf die Dorfbevölkerung.

Wer mit Oberprexern ins Gespräch zu kommen versucht, spürt die Verunsicherung. Klar, Polizei sei jetzt viel im Dorf, vor allem seit Gentsch aus dem Knast entlassen ist, sagt ein Mann mit Hut. Von April 2011 bis Mai 2013 saß der führende Kopf der "Kameradschaft Freie Nationalisten Hof" in Haft, wegen Beleidigung und Körperverletzung.

"Keiner findet es gut, dass die sich jetzt bei uns hier versammeln", sagt der Mann. Kürzlich erst, nach einem Marsch durch Wunsiedel, ging abends am Ortseingang von Oberprex das Getöse los. "Aber bitte: Was sollen wir denn machen?" Seinen Namen will der Mann nicht sagen. Er dreht sich grußlos um und läuft auf den Hof zurück. "Es ist alles gesagt."

"Das Haus wird bleiben"

Dresel kennt solche Gespräche. Und nach ihren ersten Wochen in Regnitzlosau kennt sie auch die Angst der Leute. Am Tag ihrer Amtseinführung kam ein älteres Ehepaar zu ihr, das in Blickweite zu dem Nazibunker wohnt, der früher als Gasthof "Egerländer" einen passablen Ruf hatte. Man habe Tiere auf dem Hof, sagte dieses Paar. Und man habe Angst. Würde man sich permanent mit diesen Leuten anlegen, "was wird dann hier aus uns?"

Für einen täglichen Kampf fehle es an Kraft. Zumal keiner sagen könne, ob das braune Haus womöglich zur Dauereinrichtung wird in Oberprex. Und zumal die Herrschaften, die sich dort privat treffen, offenkundig gar nicht aus dem Ort stammten. Und sich strafrechtlich nichts zu schulden kommen ließen. Also was tun?

Pfarrer Holger Winkler gibt sich keiner Illusion hin: "Das Haus wird bleiben", darauf müsse man sich einstellen. Zu gut scheint die Immobilie gewählt zu sein, aus Sicht der Nazis: In einer strukturschwachen Region, in einem winzigen Ort mit ländlich geprägter Bevölkerung, an der Grenze zu den neuen Bundesländern. Kürzlich hat Winkler ein Gebet gegen die braunen Umtriebe vor dem Haus in Oberprex organisiert. Plötzlich stand den Betenden die Führungsriege des Freien Netz Süd gegenüber. "Da wird einem anders", sagt er.

© SZ vom 06.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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