Ingolstadt:Napoleon, der Star

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An die 150 000 Besucher haben die Landesausstellung in Ingolstadt gesehen, vor allem wegen der spektakulären Exponate wie dem Zweispitz des Franzosenkaisers

Von Hans Kratzer, Ingolstadt

Es gibt kaum eine Ära, die Bayern in seiner langen Geschichte stärker geprägt hat als die Napoleonzeit. Dass das Verhältnis des Franzosenkaisers zu seinem bayerischen Verbündeten 200 Jahre nach seinem Untergang nun in einer Landesausstellung in Ingolstadt thematisiert wurde, war in jeder Hinsicht notwendig und berechtigt. Am Samstag geht die Schau zu Ende, und es zeichnet sich ab, dass sie ein großer Publikumserfolg war. 143 000 Besucher wurden bis zum vergangenen Mittwoch gezählt. Wenn am Samstag die Tore des Neuen Schlosses geschlossen werden, könnte sogar die 150 000-Besucher-Marke geknackt sein. "Das ist für uns ein toller Erfolg", sagt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, das die Ausstellung konzipiert hat. Allein im Oktober sind 40 000 Besucher gezählt worden. Loibl bedauert deshalb, dass die Ausstellung nicht über die Herbstferien hinaus verlängert werden kann. Aber die Leihfristen sind bei wertvollen Objekten, wie sie in Ingolstadt präsentiert wurden, strikt begrenzt, außerdem sind die Versicherungssummen exorbitant. Laut Loibl sollen die Landesausstellungen künftig auf alle Fälle bis in den November hinein verlängert werden. Welchen Aufschwung die Landesausstellungen erleben, zeigt ein Vergleich mit dem Jahr 1998: Damals wurde in Ingolstadt das Thema Frauen präsentiert, aber trotz des attraktiven Titels kamen gerade einmal 30 000 Besucher.

Überraschend ist, dass die Besucherzahl in Ingolstadt sogar über der Vorjahresmarke von Regensburg liegt. Dort hatte das Thema "Ludwig der Bayer" 140 000 Besucher angelockt. Erstaunlich ist auch, dass das touristisch noch ausbaufähige Ingolstadt die boomende Touristen- und Welterbestadt Regensburg in Sachen Besucherzahl deutlich übertreffen wird. Letztlich zeigt die gute Quote in Ingolstadt, welch ein touristisches Potenzial eine Landesausstellung eröffnet. Tatsächlich war in Ingolstadt zu spüren, dass mehr Leute in der Stadt waren als sonst. Die Gründe für den Aufschwung liegen auf der Hand. Zum einen werden Landesausstellungen heute weitaus professioneller beworben als früher, zum anderen wird sehr darauf geachtet, dass die Themen an einem für sie passenden Ort präsentiert werden. "Ludwig II. passt halt gut zur Herreninsel, und Napoleon passt gut zu Ingolstadt", sagt Loibl.

Ein weiteres Plus in Ingolstadt sind die gut 500 spektakulären Objekte, die dort gezeigt werden. "Wir werden uns hart tun, noch einmal eine solche Fülle von hervorragenden Stücken zu bekommen", sagt Loibl. Das Haus der Bayerischen Geschichte konnte aber Synergieeffekte nutzen. Allein 70 Objekte stammen aus dem benachbarten Armeemuseum. "Anders wäre ein solcher Aufwand finanziell nicht mehr leistbar", sagt Richard Loibl. Überhaupt sind solche Hochkaräter-Ausstellungen finanziell kaum noch zu stemmen. Allein die Versicherungssummen übersteigen mittlerweile einen dreistelligen Millionenbetrag.

Der Etat des Hauses der Bayerischen Geschichte für eine solche Schau beläuft sich auf mehr als eine Million Euro. Eine Summe, von der kommunale Museen nur träumen können. "In der oberen Liga aber sind wir damit ganz unten angesiedelt", sagt Loibl. Oft stehen Häusern mit weitaus weniger Besuchern wesentlich höhere Etats zur Verfügung als in Bayern. Wie von Kennern der Ausstellungsszene kolportiert wird, umfassen die Etats für Landesausstellungen in Österreich mitunter das Zehnfache.

Als das attraktivste Objekt in Ingolstadt erwies sich mit großem Abstand der Zweispitz von Napoleon, jener Hut, den er tatsächlich getragen hat. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer hatte bei seinem Besuch sofort nach diesem Stück gefragt. Welche Faszination davon ausgeht, zeigte sich vor kurzem bei einer Auktion in Frankreich, auf der ein Napoleon-Hut fast zwei Millionen Euro eingebracht hat.

Die Landesausstellung ist trotzdem weit davon entfernt, dem Mythos Napoleon zu huldigen, einem Feldherrn, der Millionen Menschenleben auf dem Gewissen hat. Vor allem wurde deutlich, dass man in Bayern bis heute mit gemischten Gefühlen auf das Bündnis mit Napoleon blickt. Zehntausende Bayern ließen in den napoleonischen Kriegen ihr Leben. Die Zahl der Zivilopfer ist nie geschätzt worden. Am berührendsten waren für die Besucher die Einzelschicksale aus jener Zeit. Gebannt blickten die Besucher zum Beispiel auf eine alte Votivtafel, welche die Brüder Jakob und Simon Wimmer in Russland zeigt. Auf dem Rückzug von der Schlacht von Polozk waren sich die Brüder zufällig begegnet. Simon Wimmer war aber bereits so krank, dass er am 18. September 1812 starb. Mit der Votivtafel drückte Jakob Wimmer später seinen Dank aus, dass es ihm noch vergönnt war, sich fern der Heimat von seinem Bruder zu verabschieden.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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