Ingolstadt:CSU-Stadtrat legt sich mit Audi an

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  • Der CSU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat von Ingolstadt beklagt den geringen Beitrag des Autobauers Audi, wenn es darum geht die Beschäftigten zu ihrem Arbeitsplatz zu befördern.
  • Audi konterte, indem es den weiteren Ausbau des Standorts Ingolstadt in Frage stellte.
  • Nun ist im Stadtrat eine Grundsatzdiskussion entbrannt, wie viel Einfluss ein Unternehmen auf die Politik nehmen darf.

Von Wolfgang Wittl, Ingolstadt

Joachim Genosko ist ein Mann, an dem sich die Geister scheiden. Wo andere Politiker sich winden, findet der CSU-Fraktionsvorsitzende im Ingolstädter Stadtrat klare Worte. Genosko polarisiert. Doch selten hat einer seiner Beiträge eine solche Fülle von Reaktionen ausgelöst wie dieser Tage: Die einen sehen in dem Wirtschaftsprofessor einen furchtlosen Mann, der endlich ausgesprochen hat, was angeblich schon lange gesagt gehörte. Andere fragen empört, ob er noch bei Sinnen sei. Joachim Genosko hat es gewagt, sich mit Audi anzulegen.

Es war vor einer Woche, als Genosko im Aufsichtsrat der Ingolstädter Verkehrsgesellschaft (INVG) die umstrittenen Worte sprach: "Lächerlich" sei der Beitrag von Audi, wenn es darum gehe, die 40 000 Beschäftigten in Ingolstadt zu ihrem Arbeitsplatz zu befördern. Zugleich verwies Genosko auf den anderen großen bayerischen Autobauer BMW, der sich an seinen Standorten mit Hunderten Werksbussen deutlich mehr engagiere. Die Antwort von Audi fiel ungewöhnlich harsch aus: "Wenn das, was Herr Genosko als Fraktionsvorsitzender der CSU hier äußert, die Meinung der Bürger der Stadt Ingolstadt sein sollte, müssten wir uns überlegen, ob es noch Sinn macht, im geplanten Umfang an diesem Standort weiter zusätzlich Arbeitsplätze aufzubauen", sagte Personalvorstand Thomas Sigi. Seitdem ist eine Grundsatzdebatte entbrannt: Wie viel Einfluss darf ein Unternehmen auf städtische Politik ausüben? Oder: Was muss sich eine Stadt vom größten Arbeitgeber gefallen lassen?

Irritation im Stadtrat

Dass Sigi auf Genoskos Einlassung hin sofort mit der Arbeitsplatzkeule gedroht habe, sei im Stadtrat irritiert zu Kenntnis genommen worden, sagt ein Mitglied. Andere werfen der CSU "Größenwahn" vor, das wichtigste Unternehmen anzugreifen. Die Parteilinien verschwimmen jedenfalls, wenn es um Audi geht. Bei der INVG-Sitzung etwa hatte Genosko von der SPD noch Applaus erhalten, wenig später erntete er böse Kritik - vor allem von den bei Audi beschäftigten SPD-Stadtratsmitgliedern.

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Anderen Beiträgen war anzumerken, dass sich im Verhältnis zu Audi schon länger etwas aufgestaut hat. Der Geschäftsführer eines Folienherstellers schickte dem Donaukurier einen Leserbrief, in dem er den Autobauer heftig attackierte: Audi habe "durch seine Personalpolitik in Ingolstadt die mittelständischen Unternehmen ausgeblutet". Audi bilde viel zu wenige Mitarbeiter selbst aus und ziehe sie stattdessen von anderen Firmen ab. Diese Ansicht teilten offenbar auch andere Mittelständler. Audi gilt als einer der attraktivsten Arbeitgeber, soeben erhielt jeder Mitarbeiter eine Leistungsprämie von durchschnittlich 6500 Euro. Auch wegen Audi wächst Ingolstadt mit jährlich 1000 neuen Einwohnern wie kaum eine andere Stadt auf diesem Niveau - was wiederum den Preis für Wohnungen hochtreibt. Vieles, was bisher unter der Oberfläche schwelte, sei nun durch Genoskos Beitrag hochgekocht, sagt ein erfahrener Kommunalpolitiker.

Nahverkehr in Ingolstadt gerät an seine Kapazitätsgrenzen

Dabei habe er gar keine Grundsatzdiskussion auslösen wollen, sagt der CSU-Fraktionschef. Seine Wortmeldung sei als persönliche Meinung eines Stadtrats zu verstehen gewesen. Fakt sei, dass der öffentliche Nahverkehr in Ingolstadt an seine Kapazitätsgrenzen gerate, davon habe er nichts zurückzunehmen. Audis Beitrag in Form eines Jobtickets mit mehreren hunderttausend Euro jährlich sei lobenswert, aber nicht ausreichend. Laut Prognosen wird die Einwohnerzahl Ingolstadts in den kommenden 20 Jahren von 130 000 auf gut 160 000 steigen - "das kann nicht mal eine Stadt wie unsere stemmen".

Bei Audi möchte man den Vorgang nicht mehr kommentieren. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man wolle kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Auch im Ingolstädter Rathaus ist man um Deeskalation bemüht. Man arbeite auf so vielen Feldern hervorragend zusammen, gerade auch in der Infrastruktur, "da wirft uns das sicher nicht aus der Bahn", sagt der städtische Sprecher Gerd Treffer. Andererseits habe Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) aber deutlich gemacht, dass ein Stadtrat durchaus das Recht habe, seine Meinung zu äußern. Das sei eine Frage der Debattenkultur.

Genosko glaubt nicht, dass etwas hängen bleiben wird. Am Wochenende erst habe er Audi-Chef Rupert Stadler beim Fußball getroffen und ihm wie immer die Hand geschüttelt. Einziges Thema im Stadion war die Niederlage des FC Ingolstadt.

© SZ vom 19.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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