Im Porträt: Hubert Aiwanger:Populist und Biedermann

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Der Landeschef der Freien Wähler, Aiwanger, reibt sich gerne an der CSU. Im Wahlkampf gibt er den Anwalt der kleinen Leute.

Katja Auer

Keiner schaut auf Hubert Aiwanger, als der durch die Festhalle an der Pfaffenhofener Trabrennbahn marschiert. Strammen Schrittes, mit ernster Miene. Er kommt zu spät, der Landeschef der Freien Wähler, eine gute Stunde. Vorne geht es gerade um das Rauchverbot. CSU-Kultusminister Siegfried Schneider ist da, SPD-Spitzenkandidat Franz Maget und Sepp Daxenberger von den Grünen. Aiwanger sollte der Vierte sein, beim "Bunten Bayern-Gipfel", aber er hat sich in der Uhrzeit vertan.

Hubert Aiwanger gitb sich gern als erdiger Landwirt. (Foto: Foto: ddp)

Ohne Entschuldigung, ohne einen kleinen Scherz - Humor gehört nicht zu den Stärken des FW-Spitzenkandidaten - sagt er ins Mikrophon, dass "Raucherclubs eine bürokratische Wahnsinnstat" sind, "ganz klar". Genau genommen sagt er "gonz klor", denn Aiwanger spricht einen ausgeprägt-kehligen niederbayerischen Akzent. In Kombination mit seinem hemdsärmeligen Auftreten lässt Aiwanger sogar Erwin Huber, den Prototypen des niederbayerischen Politikers, weltläufig wirken.

Aber Aiwanger will das so, und seinen Anhängern gefällt's. Der 37-jährige ledige Agraringenieur, der zusammen mit seinen Eltern den Hof in Rahstorf bei Rottenburg an der Laaber bewirtschaftet, muss keine Bodenhaftung heucheln: 20Milchkühe und 50 Zuchtsauen beherbergt er in seinem Stall, Aiwangers einziges Hobby ist die Jagd. Zu seinen vielen Terminen fährt er im eigenen Auto, den Sprit zahlt er selbst. An der politischen Professionalität fehlt es zwar noch, doch genau das kommt an beim potentiellen Wähler, ebenso wie sein unkompliziertes Auftreten. "Aiwanger Hubert. Grüß Gott."

In den Bierzelten wird Aiwanger gefeiert. Gerade in den ländlichen Regionen Bayerns sind die Freien Wähler in den vergangenen Jahren zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die CSU geworden. Kommunalpolitisch erfahren, landespolitisch noch unverbraucht, damit werben die Parteifreien.

Engagiert, aber nicht arrogant. Weil sie dennoch konservative Werte vertreten und diesmal einige namhafte Kandidaten wie den Freisinger Ex-Landrat und Startbahn-Gegner Manfred Pointner, Schlagersängerin Claudia Jung aus Pfaffenhofen und nicht zuletzt die einstige CSU-Rebellin Gabriele Pauli aufzubieten haben, könnte der Einzug in den Landtag gelingen. Aiwanger wähnt sich schon ganz sicher drin, das Ergebnis werde "näher bei zehn Prozent liegen als bei fünf Prozent". Möglicherweise könne man sogar die Grünen als drittstärkste Kraft ablösen.

An Selbstbewusstsein mangelt es Hubert Aiwanger nicht. Nahezu ohne politische Erfahrung wurde er 2006 ebenso überraschend wie umstritten zum Landesvorsitzenden gewählt. Erst seit März 2008 ist er Stadtrat daheim in Rottenburg. Sein Verdienst ist es, dass die Freien inzwischen landespolitisch wahrgenommen werden. Wenn auch mit großem Getöse.

Aiwanger hat heftig drauf gehauen auf die CSU, sie als "korrupt und gekauft" beschimpft. Klare Aussagen, nennt er das, Populismus nennen es die anderen. Mittlerweile ist er ruhiger geworden, vielleicht auch geschickter. Er spricht nicht mehr von der korrupten CSU, heute fragt er, woher die wohl das viele Geld für ihren Wahlkampf nehmen?

Hubert Aiwanger redet gern über die CSU, er tut es konzentriert, voller Angriffslust und immer ohne Manuskript. Nervosität ist ihm nicht anzumerken, Eingangsgeplänkel spart er sich. Wie an diesem Abend in Straubing vor etwa 80 Zuhörern. Abgehoben sei die CSU, zu weit weg von der Lebenswirklichkeit des kleinen Mannes, dessen Vertretung Aiwanger nun für seine Freien Wähler beansprucht. "Der kleine Metzger muss schließen, weil er eine EU-Verordnung nicht erfüllt, aber beim Großen, der Rindfleisch und Känguru verwechselt, da geht's nicht so genau", sagt er und darf sich des Beifalls sicher sein.

Im Schatten von Pauli

Immer wieder warnt Aiwanger vor Zuständen, "wo der Bürger am Ende entwürdigt, wo alles Leben am Ende börsennotiert ist". Der FW-Chef sei getrieben vom Hass auf die CSU, sagt CSU-Chef Erwin Huber über den Konkurrenten. "Ich bin zu Hass gar nicht fähig", widerspricht Aiwanger, ihm gehe es nur "um die Demokratisierung Bayerns". Und zur Bekräftigung fügt er an: "Ich wäre Entwicklungshelfer oder Lehrer geworden, wäre ich nicht in die Politik gegangen."

Die politischen Lösungen, die die Freien anbieten, um das Erbe der "alten Tante CSU" anzutreten, wie Aiwanger das nennt, sind nicht neu: mehr Kinderbetreuung, kleinere Klassen, ein wohnortnahes Gesundheitssystem. Mehr Straßen, mehr Öffentlicher Personennahverkehr und schnelles Internet. Von "ideologiefreien Lösungen" spricht Aiwanger. Doch einmal, bei der Frage nach der Finanzierung seiner hehren Pläne, verhedderte sich der sonst so redegewandte Aiwanger in wirren Aussagen über die Enteignung von Konzernen. Am nächsten Tag musste sein Stellvertreter im Landesvorsitz rasch zurückrudern.

Dass er, Aiwanger alleiniger Landeschef ist, das streicht er schon mal heraus, wenn die Rede auf den neuen Star der Freien Wähler kommt: Gabriele Pauli, die Stoiber-Kritikerin, die in Nürnberg gegen Ministerpräsident Beckstein antritt. Aiwanger macht keinen Hehl daraus, dass er zunächst von ihrer Kandidatur nicht begeistert war.

Drohte der biedere Niederbayer doch vom Glamour der früheren Landrätin überstrahlt zu werden. "Eine Frau Pauli", sagt Aiwanger, könne in der Großstadt schon Stimmen holen. "Ihr Trumpf ist das Medieninteresse." Aiwanger fehlt diese Ausstrahlung. Auch die Moderatoren in Pfaffenhofen schaffen es nicht, dem Kandidaten auf dem heißen Stuhl etwas mit Esprit zu entlocken. Ihr Lieblingsessen, Herr Aiwanger? "Opflstrudel." Weißbier oder Helles? "Opflschorle."

© SZ vom 17.08. 2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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