CSU-Chef Horst Seehofer:Einer gegen CDU, FDP und die Kanzlerin

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CSU-Chef Horst Seehofer provoziert, poltert und zeigt seine Macht. Auf die Koalition in Berlin nimmt er dabei keine Rücksicht mehr. Er arbeitet seit einigen Wochen nur noch auf eigene Rechnung, schließlich will er mit seiner CSU Bayern 2013 wieder allein regieren.

Mike Szymanski

Es ist später Nachmittag im bayerischen Landtag. Der schwüle Sommertag hängt bleischwer in den Gängen. Die Abgeordneten wirken ermattet. Nur einer ist jetzt noch so richtig in Form: Horst Seehofer. Der Ministerpräsident und CSU-Chef steht draußen vor dem Plenarsaal mit ein paar Journalisten zusammen und spielt mächtiger Mann.

CSU-Chef Horst Seehofer kann darauf hoffen, 2013 die Landtagswahl in Bayern zu gewinnen. (Foto: dapd)

"Joachim", ruft er seinem Innenminister Herrmann nach, der auf den Weg in den Plenarsaal ist, "komm mal her!" Herrmann dreht um. "Ich habe dich gelobt", sagt Seehofer. Herrmann schaut verdutzt, bedankt sich und darf wieder abtreten.

Dieses Schauspiel wiederholt sich noch zwei Mal. Den CSU-Fraktionschef zitiert er herbei und einen Bildungspolitiker, wer halt gerade vorbeikommt. "Ich habe dich gelobt", feixt Seehofer dann. Er muss nur mit den Finger schnippen, dann tanzen seine Parteifreunde. Seehofer reißt jetzt die Augen weit auf, als wollte er sagen: Noch Fragen?

Es vergeht gerade kaum ein Tag, an dem der CSU-Chef nicht provoziert und poltert. Im Streit um das Betreuungsgeld hat Seehofer gedroht, sogar die Regierung platzen zu lassen, sollte die Prämie nicht kommen. Sie sei eine "conditio sine qua non", legte er am Mittwoch nach. Am Dienstag giftete er die FDP an: "Die sollen jetzt endlich mal schweigen und umsetzen, was beschlossen ist."

Und weil er schon richtig in Fahrt war, fiel er auch noch Angela Merkel in den Rücken. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil, wonach die Bundesregierung das Parlament besser über den Rettungsschirm ESM hätte informieren müssen, ätzte er: Die Bundesregierung müsse aufpassen, "nicht pausenlos korrigiert" zu werden.

"Das können Sie alles senden!"

Seehofer nimmt keine Rücksicht mehr. Im CSU-Shop verhökern sie T-Shirts mit der Aufschrift: "Das können Sie alles senden!" Mit diesen Worten hatte er im ZDF seine schonungslose Abrechnung mit Norbert Röttgen (CDU) nach der verlorenen NRW-Wahl zur Ausstrahlung freigegeben. Die CSU brüstet sich, dazu beigetragen zu haben, dass einer aus der Unionsfamilie als Bundesumweltminister rausgeworfen wurde.

Seehofer arbeitet seit einigen Wochen nur noch auf eigene Rechnung. Denn auch im Freistaat wird 2013 gewählt, nicht nur im Bund. Und die viel wichtigere Wahl für Seehofer im nächsten Jahr ist die Bayernwahl. Die CSU kann ihre bundespolitische Sonderrolle nur solange beanspruchen, wie sie im Freistaat überdurchschnittlich gut abschneidet. Neulich hat Seehofer erklärt, Berlin und München verbinde eine Nabelschnur. Aber aus Berlin kommt kein Sauerstoff mehr. Bevor die CSU in Bayern eingeht, kappt Seehofer lieber die Nabelschnur. Das ist die Botschaft seiner Angriffe.

Der Parteichef hat seine CSU nach der verheerenden Niederlage bei der Landtagswahl 2008, als die Partei auf 43,4 Prozent abgestürzt war und erstmals seit Jahrzehnten einen Koalitionspartner brauchte, wieder einigermaßen aufgerichtet. Zwar glüht das Land längst nicht so für die CSU wie in früheren Zeiten, aber die Anti-CSU-Stimmung, die 2008 noch zu spüren war, ist auch weg.

Seehofer kann sich sogar Hoffnung machen, 2013 wieder allein mit seiner CSU in Bayern regieren zu dürfen. Nach seinem Antritt hatte er damit begonnen, die Fenster aufzureißen und die CSU durchzulüften. Er hat sein Kabinett verjüngt und in den Vorständen auf Landes- und Bezirksebene sitzen zu mindestens 40 Prozent Frauen. Eine solche Quote hat er seiner männerdominierten Partei gegen große Widerstände aufgezwungen.

Nach außen versucht sich seine CSU modern zu geben. Sie lädt nicht mehr nur zu Weißwürsten in die Hinterzimmer der Wirtshäuser ein. Generalsekretär Alexander Dobrindt trägt jetzt Intellektuellen-Brillen und moderiert Veranstaltungen, die "Lounge in the City" und "Talk in the City" heißen.

Die Strauß- und Stoiber-Jahre der CSU sind für Seehofer "Jungsteinzeit". Er will sich seine Aufbauarbeit nicht kaputt machen lassen von Fehlern, die in Berlin gemacht werden. Das treibt ihn an, das lässt ihn so rücksichtslos werden. Auch die Tatsache, dass die CSU sofort in den Wahlkampf ziehen könnte, wenn es darauf ankäme. Die internen Reformen sind weitgehend abgeschlossen.

Was einen Wahlkampf angeht, befindet sich die Partei seit Monaten im Dauertestbetrieb. Generalsekretär Alexander Dobrindt experimentiert im Münchner Hauptquartier der Christsozialen schon längst mit einer neuen Zentrale für den Internetwahlkampf. Seehofers Facebook-Party in der Münchner Nobel-Disco P1 war auch als großer Feldversuch zu verstehen.

Die Steine, die ihm seine Vorgänger in den Weg gelegt haben, hat Seehofer einen nach dem anderem aus dem Weg geräumt. Zu seinem Amtsantritt 2008 hatte er die Bayerische Landesbank, die sich verzockt hatte, mit einem zehn Milliarden Kredit des Freistaates vor dem Untergang retten müssen. Jetzt, vier Jahre später, fordert Seehofers Finanzminister Markus Söder die ersten Milliarden zurück.

Die gute Konjunktur hat seiner Regierung zudem so viel Geld extra in die Kasse gespült, dass sie allein in diesem Jahr eine Milliarde Euro an Schulden zurückzahlen kann, ohne an anderer Stelle sparen zu müssen.

Seit Monaten bereist Seehofer als Ministerpräsident die Landkreise im Freistaat und gibt den Kümmerer und Modernisierer. Die Opposition im Freistaat müht sich seit Monaten vergeblich, Wechselstimmung zu erzeugen. Für Seehofer würde es wirklich prima laufen - wenn Berlin nicht wäre.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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