Hauptbahnhof Augsburg:Mammutprojekt mit vielen Fragezeichen

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Die Zeit des Wartens und des Planens ist vorbei: Augsburg kann mit dem Umbau des Hauptbahnhofes beginnen. Bürgermeister Gribl ist erleichtert. Doch noch sind viele Fragen rund um das Millionen-Projekt unbeantwortet - etwa die nach Kosten und Zeitplan. Ein Überblick.

Stefan Mayr

Der lange erwartete Umbau des Augsburger Hauptbahnhofs kann beginnen: Die Regierung von Schwaben hat am Dienstag den Planfeststellungsbeschluss erlassen. Damit kann die Stadt nach vielen Jahren des Planens und Diskutierens ihr Millionen-Projekt "Mobilitätsdrehscheibe Augsburg" (MDA) abschließen. Bis 2019 wollen Stadt, Stadtwerke und die Deutsche Bahn AG den öffentlichen Nah- und Fernverkehr in der Fuggerstadt runderneuern. "Ich bin sehr froh, dieses Projekt bedeutet eine Stärkung des Wirtschaftsraumes Augsburg", sagte Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), nachdem er das 149-seitige Dokument entgegengenommen hatte. Schon 2012 soll der Bau beginnen, doch das Großprojekt ist nicht unumstritten, und bis heute gibt es bei Finanzierung und Zeitplan dicke Fragezeichen. Ein Überblick über den aktuellen Stand.

Der Umbau kann beginnen: Bis 2019 wollen Stadt, Stadtwerke und die Deutsche Bahn AG den öffentlichen Nah- und Fernverkehr in der Fuggerstadt runderneuern. (Foto: dpa)

Warum wird gebaut?

Derzeit ist die Mobilität im Umfeld des 165 Jahre alten Bahnhofsgebäudes eingeschränkt. In dem zwar sehenswerten, aber hoffnungslos veralteten Bau ist vor allem für Senioren, Behinderte und Eltern mit Kinderwagen das Ein- und Aussteigen eine Zumutung. Es fehlen Aufzüge und Rolltreppen, und wer vom Zug auf Bus und Tram umsteigen will, muss einen langen Fußmarsch über Kopfsteinpflaster bewältigen sowie eine verkehrsreiche Straße überqueren - ohne Ampel. Zudem wartet die drittgrößte Stadt Bayerns schon seit Jahrzehnten auf einen S-Bahn-ähnlichen Nahverkehr. Im Zuge des Projekt "Mobilitätsdrehscheibe" soll der sogenannte Regio-Schienen-Takt endlich für den gesamten Großraum Augsburg kommen.

Was wird gebaut?

Herzstück der Baustelle ist die Untertunnelung des Hauptbahnhofes mitsamt des kompletten Gleisbereichs. Von August 2012 an sollen die Bagger den Bahnhofs-Vorplatz umgraben und eine 200 Meter lange Tunnel-Rampe errichten. Durch diesen Tunnel fahren künftig Straßenbahnen. Sie halten direkt unter den Fernzug-Bahnsteigen, sodass die Fahrgäste erstmals trockenen Fußes umsteigen können. Die Empfangshalle des Bahnhofs wurde bereits umgestaltet, nun sollen auch noch die Bahnsteige modernisiert werden: Neben Rolltreppen und Aufzügen sind auch neue Dächer, neues Mobiliar und ein Blindenleitsystem geplant. "Das wird einem Neubau fast gleichkommen", verspricht Karl-Heinz Ferstl von der DB Station und Service. Zudem erhalten die Trambahnen eine unterirdische Wendeschleife, und für die Fußgänger wird ebenfalls ein Tunnel errichtet. Damit ist der Bahnhof erstmals von der Westseite her erreichbar - bislang mussten Fußgänger immer einen großen und wenig ansehnlichen Umweg gehen. Künftig kommen sie durch den Bahnhof auf direktem Wege in die Innenstadt.

Zum Gesamtprojekt MDA gehört auch die Modernisierung des Nahverkehrs-Netzes - inklusive Komplettumbau des zentralen Umsteigeplatzes für Busse und Straßenbahnen (Königsplatz): Zwei neue Trambahn-Linien werden eingeführt, das Umsteigedreieck wird modernisiert und vergrößert, die Schienenführung wird großräumig neu gestaltet.

Was ändert sich für Fernreisende?

Die Bahn will einen zusätzlichen Bahnsteig errichten ("Bahnsteig F"). Erst wenn dieser fertiggestellt ist, können die Untertunnelungsarbeiten unter den Gleisanlagen begonnen werden - und das bei laufendem Betrieb "unter dem rollenden Rad". Hier verbirgt sich noch ein großes Fragezeichen: Denn für den Bahnsteig F gibt es noch keinen Planfeststellungsbeschluss. Doch die Bahn ist zuversichtlich. "Der Bahnsteig F soll bis 2014 fertig sein", kündigt Volker Hentschel, der Produktionsleiter der DB Netz AG, an.

Wer zahlt wie viel?

Diese Frage konnten am Dienstag die Verantwortlichen nicht beantworten. Bislang wurden die Kosten für das Gesamtprojekt MDA auf 250 Millionen Euro geschätzt. 98,5 Millionen waren alleine für den Umbau des Hauptbahnhofs eingeplant. Davon sollen mehr als die Hälfte (55,3 Millionen) aus Fördermitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) bezahlt werden. 22,4 Millionen steuern Stadt und Stadtwerke bei, 20,7 Millionen die Bahn AG. Doch OB Kurt Gribl räumt ein, dass die Gesamtkosten "derzeit geschätzt" sind und sich durchaus noch verändern können. "Bei Bauprojekten kommt es vor, dass die Kosten unter den Planungen bleiben, und meistens gehen sie darüber." Tatsächlich legten am Dienstag die Stadtwerke Augsburg eine Aufstellung vor, in der alleine für den Bahnhofsumbau Zusatzkosten in Höhe von 19 Millionen Euro aufgeführt sind. Wie sich Stadt, Stadtwerke und Bahn diese Summe aufteilen, ist offen. "Die nächsten Hürden sind: Wir müssen uns über die Projekt-Durchführung und die Finanzierung einigen", sagte Volker Hentschel von der Bahn am Dienstag.

Wann soll das Projekt fertig sein?

Im Jahr 2019 läuft das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes aus, mit dem das Projekt zu 60 Prozent finanziert wird. Was die Stadt bis dahin nicht abgerechnet hat, müsste sie aus dem eigenen Säckel bezahlen - und dieser ist in Augsburg bis zum letzten Cent geleert. Obwohl die Umsetzung der MDA bislang wegen diverser Bürgerentscheide verzögert wurde, zeigt sich Oberbürgermeister Gribl überzeugt, dass der Zeitplan noch einzuhalten ist: Auf die Frage, ob eine rechtzeitige Fertigstellung realistisch ist, antwortete er am Dienstag mit einem entschlossenen "Ja." Stadtwerke-Chef Norbert Walter äußerte sich erheblich vorsichtiger: "Wir fangen so schnell wie möglich an und versuchen, bis 2019 fertig zu sein." Im übrigen gehe er davon aus, dass im Notfall eine nachträgliche Finanzierungsregelung gefunden werden könne.

Warum steht das Projekt in der Kritik?

Der Bund der Steuerzahler kritisierte das Projekt Mobilitätsdrehscheibe in seinen Schwarzbüchern 2008, 2009 und 2011 und bezeichnete es als "Fass ohne Boden". Demnach seien die Kosten für den Bahnhofsumbau seit der Kalkulation aus dem Jahre 2006 "um fast 50 Prozent explodiert". Tatsächlich liegt die Summe nach den Zahlen vom Dienstag liegt derzeit bei 117,5 Millionen - Tendenz steigend. "Weil sich die Realisierung bis 2019 hinziehen wird, sehen wir in Anbetracht der bisherigen Kostensteigerungen noch kein Licht am Ende des Tunnels", heißt es im Schwarzbuch der Steuerzahler.

© SZ vom 21.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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