Halleinsturz von Bad Reichenhall:Ex-Chef des Hochbauamts im Visier

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15 Tote - und ein Verurteilter: Fünf Jahre nach dem Einsturz der Eishalle von Bad Reichenhall starten Angehörige der Opfer einen letzten Versuch, die Schuldfrage zu klären.

Heiner Effern

Es ist der letzte Versuch, noch einen weiteren Schuldigen für den Tod von zwölf Kindern und drei Frauen zu finden. Knapp fünf Jahre nach dem Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall prüft die Staatsanwaltschaft Traunstein, ob sie Ermittlungen gegen den am 2. Januar 2006 verantwortlichen Hochbauamts-Chef der Stadt Bad Reichenhall einleiten soll. Beantragt haben das mehrere Familien von getöteten Kindern. Ihr Rechtsbeistand verdächtigt Hermann F. der fahrlässigen Tötung, weil er trotz der bekannten, teils massiven Wassereinbrüche in den Jahren 2004 bis 2006 keine Überprüfung der Sicherheit der Halle veranlasst habe.

Eingestürzte Eissporthalle in Bad Reichenhall am 2. Januar 2006: Am 2. Januar 2011 läuft die Verjährungsfrist aus - nun wollen Angehörige der Opfer einen letzten Versuch starten, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. (Foto: AP)

Der Chef des Hochbauamts hätte vom undichten Dach wissen müssen, schreibt der Jurist Thomas Kämmer an die Staatsanwaltschaft. Das hätten die Zeugenaussagen im Prozess ergeben. Die deshalb nötige Überprüfung der Verkehrssicherheit hätte zu einer Schließung des Gebäudes führen und damit das Leben der 15 Eisläufer retten können, heißt es in dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Dort bestätigte ein Sprecher nur, zwei Zeugen nochmals vernommen zu haben.

Für die Angehörigen gehört Hermann F. auf die Anklagebank. Bei der Stadt "wurde geschlampt ohne Ende", sagt Bernhard Schmidbauer, der zwei Töchter in der Eishalle verloren hat. "Wenn man die im Jahr 2006 Verantwortlichen nicht belangen kann, bleibt ein Makel." Doch allzu große Hoffnungen macht er sich nicht mehr, dass der letzte Versuch vor dem Eintritt einer Verjährungsfrist am 2. Januar 2011 noch den erhofften Erfolg bringen wird. Schließlich lehnte die Staatsanwaltschaft es schon dreimal ab, gegen den Hochbau-Chef ein Verfahren einzuleiten. Bestätigt wurde diese Haltung vom Oberlandesgericht München, vor dem ein Mann, dessen Frau in der Eishalle gestorben ist, eine Klage erzwingen wollte. Immer hieß die Begründung: Die Hinweise auf eine Schuld des Stadtbeamten reichten nicht aus.

Damit bleibt der am Bau beteiligte Statiker Walter G. der einzige, der bisher vom Landgericht Traunstein wegen des Eishalleneinsturzes verurteilt wurde. Er erhielt wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren. Der Prozess gegen einen zweiten Angeklagten, den Gutachter Rüdiger S., wird hingegen neu aufgelegt werden.

Der Bundesgerichtshof verwarf seinen Freispruch am 12. Januar 2010, die 6.Große Strafkammer in Traunstein wird das Verfahren führen. Der jetzige vorsitzende Richter Werner Gruben geht zum Jahresende in den Ruhestand, ein Beginn der zweiten Runde ist deshalb nicht vor 2011 zu erwarten. Für die Angehörigen bedeutet diese erneute Verzögerung eine weitere Belastung: "Wir möchten, dass das Verfahren endlich abgeschlossen wird", sagt Bernhard Schmidbauer.

Möglicherweise bedeutet eine neue Verhandlung gegen Rüdiger S. aber noch nicht das Ende der gerichtlichen Aufarbeitung. Denn das Verfahren gegen Horst P., den Hochbauamts-Chef aus der Zeit des Hallenbaus Anfang der 70er Jahre, wurde aus gesundheitlichen Gründen noch gar nicht aufgenommen. Ein Arzt bescheinigte ihm eine vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit. Bei der letzten Untersuchung Ende 2009 war P.s Zustand weiter unverändert.

© SZ vom 02.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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