H5N8:Experten überrascht Vogelgrippe nicht

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Eingesperrte Hühner blicken durch das Gitter ihres Stalls. Wegen der Vogelgrippe haben die Behörden in einigen Landkreisen Stallpflicht angeordnet. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Die bisher acht Fälle seien im üblichen Rahmen, Halter sollten aber die Stallpflicht einhalten

Von Christian Sebald, München

Erst vier Enten, zwei Möwen und ein Schwan am Bodensee bei Lindau, dann eine Seeschwalbe am Ammersee und zuletzt eine Massentierhaltung mit 30 000 Hühnern in Schleswig-Holstein: Die Vogelgrippe respektive der Erreger H5N8 trifft die Vogelwelt diesen Winter offenbar sehr viel härter als in den vergangenen Jahren. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) erwägt sogar eine bundesweite Stallpflicht für Geflügel. "Wir werden in Abstimmung mit den Ländern, wenn es sich ausdehnt, auch in eigener Entscheidung auf Bundesebene mit dem Krisenstab eine Aufstallungspflicht beschließen", sagte er am Montag. Er werde mit seinem niederländischen, dänischen und polnischen Kollegen über das Vorgehen beraten.

Für Experten indes ist der Ausbruch, zumindest bisher, wenig spektakulär und auch nicht überraschend. Natürlich liegt das zuallererst daran, dass der Erreger H5N8 als ungefährlich für Menschen gilt. Eine Übertragung von H5N8 auf Menschen sei "theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich", heißt es vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Auch Jürgen Christian, Virologe am Landsamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), sagt: "Nach allem, was wir wissen, können sich Menschen nicht mit H5N8 anstecken." Ulrich Lanz, Tierarzt und Artenschutzreferent beim Vogelschutzbund LBV, geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: "H5N8 ist für den Menschen ungefährlich." Vor zehn Jahren war das anders. Damals war die Vogelgrippe zum ersten Mal überhaupt in Bayern aufgetreten. Aber nicht nur das. Der damalige Erreger H5N1 kann durchaus gefährlich werden für Menschen.

Es gibt aber einen weiteren Grund, warum Experten wenig überrascht sind. Nicht nur bei Menschen ist der Winter Grippezeit, sondern eben auch bei Vögeln, insbesondere bei Wasservögeln. Die Tage sind sehr viel kürzer, das Wetter kalt und schlecht und das Nahrungsangebot nicht mehr so üppig. Hinzu kommt der Vogelzug: Nach wie vor sind Zigtausende Wasservögel unterwegs in ihre Winterquartiere. All dies führt dazu, dass viele Tiere geschwächt und deshalb anfällig für die Vogelgrippe sind. "Bis zu sechs Prozent der frei lebenden Vögel tragen Grippe-Viren in sich", sagt Tierarzt Lanz. "Oft merkt man ihnen das nicht einmal an." Denn so wie Menschen sind auch Vögel unterschiedlich empfänglich für Grippeerkrankungen. Manche verkraften eine Infektion sogar ohne irgendein Krankheitssymptom, andere dagegen werden reihenweise hinweggerafft. "H5N8 ist offenbar besonders gefährlich für Wasservögel und Hühner", sagt Tierarzt Lanz.

Der LGL-Experte Christian verweist auf das Vogelgrippe-Monitoring seines Amtes. Der Freistaat hat es nach dem ersten Auftreten der Tierkrankheit 2005/2006 eingeführt. Vergangenes Jahr wurden in seinem Rahmen knapp 700 Wasservögel auf Grippe-Viren untersucht. 38 Tests oder gut fünf Prozent waren positiv. Dabei wurde nur ein Teil der Vögel tot aufgefunden. Den anderen Teil hatten Jäger abgeschossen. Anschließend schickten sie Proben von den Kadavern ans LGL. Außerdem untersuchten die LGL-Spezialisten fast 1200 Proben von Hausgeflügel. Eine von ihnen war positiv. Nachforschungen in der Haltung ergaben, dass dort der Vogelgrippe-Erreger H5N2 umging, der ebenfalls als ungefährlich für den Menschen gilt. Für den LGL-Mann Christian sind denn auch die bisher acht Vogelgrippe-Fälle in diesem Jahr völlig im Rahmen.

Bleibt das Risiko für das Hausgeflügel. Seine Halter müssen jetzt die Stallpflicht unbedingt einhalten - ob es nun Großbetriebe sind oder Hobbyzüchter. Auch sonst sind die Halter gefordert, sagt Tierarzt Lanz: "Sie müssen sehr darauf achten, dass keinerlei Verunreinigungen von draußen in ihre Ställe gelangen, also vor allem die Desinfektionsregeln peinlich genau einhalten."

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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