Es geht in die Abendstunden hinein, bis Julia Göggelmann die Zeit für ein Gespräch hat, ihre Stimme klingt etwas erschöpft nach der Arbeit auf dem Bauernhof. Das ist die Pflicht, nicht die Kür. Die 18-Jährige aus der Gemeinde Kammeltal bei Günzburg macht eine Ausbildung zur Landwirtin in einem Milchviehbetrieb im Unterallgäu. Felder zu pflügen gehört da ebenso dazu wie Gülle auszufahren. Die Kür heißt: Leistungspflügen. Bei den Deutschen Meisterschaften in Schleswig-Holstein schaffte die junge Frau es kürzlich unter die ersten zehn - als beste Frau. Sie war allerdings auch die einzige Frau beim Bundeswettbewerb Leistungspflügen. Ein Gespräch über die Männerbastion Acker, über trockene Böden, pingelige Preisrichter und die perfekte Furche.
SZ: Frau Göggelmann, wie kommt man dazu, wie wird man Leistungspflügerin?
Julia Göggelmann: Vor ein paar Jahren hat der Freund meiner Schwester Leistungspflügen gemacht und bei uns zu Hause auf dem Feld geübt. Ich bin in der Landwirtschaft ausgewachsen, da lernt man natürlich Traktorfahren schon als Mädchen und kennt das. Aber im Alltag ist das etwas anderes, da stellt man den Pflug einmal ein und fertig. Beim Leistungspflügen muss man ständig nachjustieren und mitdenken, da geht es um Zentimeter. Das hat mir irgendwie gefallen, ich wollte das auch probieren. Dann war ich gleich begeistert.
Man stellt sich das ja eigentlich recht einfach vor: Man fährt halt auf und ab, zieht seine Bahnen und seine Furchen...
Nein, so ist das nicht. Das wichtigste ist die Spaltfurche am Anfang mit einem Schar, wenn du da einen Bogen reinmachst, dann ist die Sache gelaufen. Es geht wirklich um Genauigkeit im Wettbewerb, beim ganzen Feld - wenn da am Ende ein Streifen stehen bleibt, ist das ganz schlecht. Und es geht um die Furchen, da braucht man einen Blick, man steigt ab und misst nach und verändert die Einstellungen. Man braucht ein Gefühl für den Boden und für die Maschine, und viel Geduld.
Wie läuft ein solcher Wettbewerb ab?
In meiner Kategorie, Drehpflüger, hat man drei Stunden Zeit. Am Ende gibt es dann eine rote Fahne - wenn man nicht fertig ist mit seinem Feld, gibt es schon mal Punktabzug. Ansonsten haben die Preisrichter eine Bewertungstabelle und messen auch nach, es gibt da verschiedene Vorgaben. Wenn was nicht sauber ist, sieht man das aber sofort, Unruhe im ganzen Bild. Das Ziel ist ein gleichmäßiger Acker, auf der Oberfläche exakte Furchen, gleich hoch und im richtigen Abstand. 150 Punkte gibt es, ich hab' 99 geschafft.
Wie sieht die perfekte Furche aus?
Die Tiefe muss passen, sie muss sauber umgepflügt sein - wenn's dir Mordsbrocken raushaut, dann ist das gar nicht gut.
Das dürfte doch auch vom Wetter und den Bodenbedingungen abhängen, oder?
Es ist immer eine Umstellung. Beim Landesentscheid war der Boden ähnlich wie bei uns daheim, wie ich es vom Üben kannte. In Norddeutschland hat man eher Sandboden, trockener, hart, etwas steiniger. Im Grunde gibt es Wettkämpfe, da hat es davor sechs Wochen geschüttet, oder es hat seit Wochen gar nicht geregnet. Wenn es nass ist und die Räder des Traktors drehen durch, kommt man ins Schlingern, dann sieht man das natürlich sofort. Deswegen die passenden Einstellungen am Wettkampfpflug, das sind acht oder neun verschiedene. Zum Beispiel für den Zug, die Neigung und die Tiefe.
Sie waren die einzige Frau bei diesen Meisterschaften. Reißen die vielen Männer da auch mal einen flotten Spruch, so machomäßig? Und kennen Sie überhaupt andere Leistungspflügerinnen?
Es gibt sicher noch welche, aber ich war dort wirklich die Einzige. Bei einem Kreisentscheid hab ich mal eine andere Frau getroffen, die hat aber nur einmal teilgenommen und dann wieder aufgehört, die ist mit dem Leistungspflügen nicht so klar gekommen. Blöd war von den Männern keiner zu mir. Aber bei den Meisterschaften ist man am ersten Tag zum Üben und Vorbereiten, und ich hab' schon bemerkt, dass der eine oder andere überrascht geschaut hat. Und auch am Ende haben sie geschaut, die haben wohl nicht damit gerechnet, dass ich gleich im besten Drittel lande. Ich sehe keinen Grund, warum Frauen das nicht gut können sollten.
Pflügen Frauen anders?
Jeder pflügt anders, manche genauer, andere auf gut Glück. Da hat jeder seine Technik. Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied zwischen Frau und Mann gibt. Das ist beim Sport ja auch nicht unbedingt so.
Leistungspflügen zählt also als Sport?
Ja, ich würde das schon so bezeichnen. Ende Juli oder Anfang August geht die Saison normal los, organisieren, anfangen mit Üben. Das ist nicht so wie bei einem Sprinter natürlich, aber man muss was dafür tun, um sich zu verbessern. Und es geht ganz stark um Konzentration, man darf sich nicht von den Zuschauern ablenken lassen, die rumfuchteln.
Der Deutsche Pflügerrat, der den Wettbewerb alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums auflegt, hat jüngst gut 1000 Zuschauer gezählt. Wer kommt da so?
Die allermeisten natürlich aus der Landwirtschaft, ganze viele ehemalige Landwirte, Opas. Früher musste man das ja machen, Berufswettkämpfe waren Teil der landwirtschaftlichen Ausbildung.
Also jede Mange wahre Experten.
Genau, die schauen da schon sehr kritisch auf die Felder, spekulieren und diskutieren und fuchteln eben mit den Händen. Aber da darf man sich nichts denken und muss einfach losfahren.