Gruß zur Mittagszeit:Warum sagen Menschen "Mahlzeit", wenn sie nichts essen?

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Auch wer am Schreibtisch sitzt oder durchs Büro geht, sagt "Mahlzeit". (Foto: LinkedIn Sales Navigator/Unsplash)

Mittags sagt in Bayern plötzlich keiner mehr "Grüß Gott" oder "Guten Morgen". Das irritiert unseren Autor aus Afghanistan.

Kolumne von Nasrullah Noori

Es war nur ein Wort, doch es reichte für große Verwirrung in meinem Kopf: "Mahlzeit." Mit dieser Grußformel wird man in München geradezu bombardiert, wobei das zum Glück nicht gefährlich ist. Immer zwischen halb zwölf und halb zwei, vorzugsweise in Firmen oder Büros, geht es los. Mahlzeit! Egal wo man sich bewegt. Keiner sagt dann Grüß Gott oder Guten Morgen mehr, sondern diese acht Buchstaben, die offenbar einen bestimmten Zweck erfüllen. Die Frage ist nur welchen.

Wo ich herkomme, gibt es ja auch Grußformeln. In Afghanistan ist es jedoch weniger kompliziert. Wir grüßen einander in aller Regel zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Salaam oder Salaam alaikom. Das ist nicht sonderlich spektakulär, aber wohl auch für Fremde ziemlich eindeutig identifizierbar. Übersetzt man sich hingegen das Wort Mahlzeit, wird es deutlich schwieriger. Es handelt sich dabei genau genommen ja gar nicht um einen Gruß, sondern beschreibt den Zeitpunkt für den Verzehr einer Speise. Warum also sagen die Menschen das zu einem, wenn sie auf den Aufzug warten? Oder wenn sie durchs Büro gehen?

Offenbar wollen die Münchner damit signalisieren, dass der Zeitpunkt für das Mittagessen gerade in diesem Moment erreicht ist. Insofern ist es eigentlich inkonsequent, dass jemand Mahlzeit sagt, während er noch am Schreibtisch sitzt und E-Mails bearbeitet. Deutlich plausibler wäre es, würde er jetzt in der Kantine vor einem Reisgemüse mit Currysoße sitzen. Oder vor einer Schweinshaxe mit Knödel und Sauerkraut. Doch der Münchner Büroarbeiter starrt auf seinen Bildschirm und mahlzeitet sich gegenseitig zu.

Wobei das sicherlich nicht auf jedes Büro zutrifft. Beamten, das bekommt man hier schnell mit, wird etwa nachgesagt, dass sie es mit ihren Mahlzeiten sehr genau nehmen. Dort fällt der Begriff Mahlzeit angeblich stets um Punkt zwölf Uhr und erfüllt die Funktion eines allgemeinen Abschiedsgrusses vom Schreibtisch Richtung Mittagstisch. Ich kann nicht sagen, ob das wirklich so ist, wahrscheinlich ist es wie so oft im Leben. Die einen machen es so, die anderen so.

Jedenfalls hat mich die Mahlzeit-Tugend immer wieder in großes Erstaunen versetzt. Es gibt aber auch eine eindeutige Gemeinsamkeit der afghanischen und bayerischen Esskultur. Wenn mal das Essen auf dem Tisch steht, sagte man in meiner früheren Heimat "Noshe jan!" - und dann legen alle los. Man würde das hier im Deutschen mit "Guten Appetit" übersetzen. Oder eben mit Mahlzeit.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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