In Bayern leben derzeit mehr als 396 000 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, und über sie lässt sich eins generell sagen: Je weniger die Eltern noch in der Lebensgestaltung ihrer Söhne und Töchter mitzureden haben, um so mehr gibt es was auf die Ohren - phonmäßig, versteht sich.
Dies ist, salopp gesagt, das Ergebnis der Studie "Ohrkan", die sich seit 2009 mit der Lärmbelastung jugendlicher Menschen durch Freizeitaktivitäten beschäftigt. Gesundheitsministerin Melanie Huml drückte sich bei der Präsentation der Studie am Dienstag freilich gewählter aus. "Vor allem das Gehör älterer Jugendlicher und junger Erwachsener - also von 17 Jahren an - wird zunehmend belastet", sagte sie.
Gesundheit:Das Ohr zur Welt
Etwa 15 Millionen Deutsche hören schlecht. Nur wenige tun etwas dagegen, weil sie Angst davor haben, stigmatisiert zu werden. Dabei ist Schwerhörigkeit ein Risikofaktor für Demenz und Depressionen
Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hatte für die Studie zu Beginn insgesamt 2148 Jugendliche aus Regensburg als Teilnehmer gewinnen können. Diese offenbarten freimütig, welchen Lärmquellen sie sich in der Freizeit bevorzugt aussetzen - und, was Wunder, es ging hauptsächlich ums Musikhören über MP3-Player und Smartphones.
Wie die Studie begann
2009, als die Studie begann, waren die Jugendlichen "größtenteils 15 oder 16 Jahre alt", wie es beim LGL heißt. Im ersten Schritt - es handelt sich hier quasi um Ohrkan I - waren die Testergebnisse nach Melanie Humls Worten noch "erfreulich". Hörstörungen, die einen Hinweis auf eine Lärmschwerhörigkeit gegeben hätten, wurden "noch selten" festgestellt. Die Ministerin nutzte das Wörtchen "noch" mit Bedacht.
Ohrkan II, mit Daten aus der jüngsten Erhebung, lässt nun aufhorchen: Die Lärmbelastung bei den Jugendlichen habe deutlich zugenommen, genau gesagt um 47 Prozent. Die Teilnehmer, ihre Zahl ist auf 1707 zurückgegangen, sind mittlerweile um die 18 Jahre alt. Und die meisten von ihnen (77 Prozent) suchen jetzt fleißig Diskotheken und Konzerte auf, ohne in der restlichen Freizeit vom MP3-Player zu lassen. Und der ist nur zu oft laut aufgedreht.
Das dicke Ende steht der Studiengruppe aber erst noch bevor: "Hörschäden sind erst nach einer mehrjährigen Lärm-Exposition zu erwarten", sagte Caroline Herr, die Leiterin des LGL-Sachgebiets Arbeits- und Umweltmedizin. Auch wenn nun niemand darauf hofft, dass in den kommenden Jahren durch Ohrkan III irreparable Schäden nachweisbar sein werden, so ist die Wahrscheinlichkeit doch hoch.
Wer vor allem gefährdet ist
Ein beachtlicher Anteil der Studienteilnehmer höre so häufig und so laut Musik, dass ein "riskanter Musikkonsum" vorliege. Besonders Jugendliche aus sozial benachteiligten Gruppen, so sagte die Ministerin, neigten zu solchem Musikgenuss. Jungen seien dabei häufiger betroffen als Mädchen.
Rund 620 000 Euro wird der Freistaat bis 2016 in die Studienreihe des LGL investiert haben. Wer nun meint, die bislang erzielten Ergebnisse seien alles andere als ein Knaller, dem hält Gesundheitsministerin Melanie Huml entgegen, dass durch das Projekt Ohrkan bereits "dringend benötigte wissenschaftliche Daten" gewonnen wurden, die bisher gefehlt hätten. "Dieses Studienkonzept ist weltweit einmalig, und das Geld ist gut angelegt", sagt Huml.
Wer selbst testen will, wie es um sein Gehör steht, kann dazu unter anderem die kostenlose App "earaction" des Gesundheitsministeriums herunterladen. Auch in Discos könnte diese App für angeregte Gespräche - etwa beim Anbaggern - sorgen, denn: "Das Smartphone kann damit als Schallmessgerät dienen", sagte Huml. Bayern setzt bezüglich der Musiklautstärke in Discos noch auf die Einsicht der Betreiber. "Ein nachhaltiger Erfolg blieb aber bislang aus", sagte Huml. Das könnte fast nach Krach riechen.