Gesundheit:Suche nach Landarzt: Hohenkammer sucht lebende Legende

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Die Kirche überragt die Häuser von Hohenkammer. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Um Ärztinnen und Ärzte in die eigene Gemeinde zu locken, starten Kommunen immer wieder gezielte Werbekampagnen. Ein Dorf in Oberbayern fällt nun mit einer besonders aufwendigen Aktion auf. Hier umgarnt die ganze Gemeinde potenzielle Kandidaten.

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Hohenkammer (dpa/lby) - Der Nachfolger soll eine Legende zum Leben erwecken: Um eine Ärztin oder einen Arzt zur Niederlassung in ihrem Dorf zu bewegen, hat die Gemeinde Hohenkammer im Landkreis Freising eine aufwendige Kampagne ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht ein weiser Mediziner namens Caius von Camer, der einer - fiktiven - Überlieferung zufolge schon vor vielen hundert Jahren dort die Menschen heilte und für sein empathisches Wesen bekannt war. Zahlreiche Einwohner setzen sich nun öffentlich dafür ein, wieder solch einen Mediziner zu finden. Das 2700-Einwohner-Dorf ist aber nicht die einzige Gemeinde in Bayern, die bereit ist, für eine Praxis im eigenen Ort richtig viel in die Waagschale zu werfen.

„Wir haben im Moment in etwa 480 offene Sitze für Hausärzte“, berichtet der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, Axel Heise. Bei den Fachärztinnen und -ärzten seien es 150. Zwar würden nicht ganz so viele Mediziner auch tatsächlich benötigt, weil dann ein Versorgungsgrad von 110 Prozent erreicht wäre. Doch gibt es eindeutig Gegenden im Freistaat, in denen bei Hausärzten wie in anderen medizinischen Fachrichtungen derzeit eine Unterversorgung droht oder gar herrscht.

Rund um die Universitätsstädte sehe es in der Regel ganz gut aus, ebenso am Alpenrand, schildert Heise. Aber in Westmittelfranken etwa ist es mit Blick auf die Hausärzte düster. Auch in anderen Landkreisen, die zumeist am Rande des Freistaats liegen, gibt es zu wenige Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten.

Rund um Hohenkammer herum praktizieren sogar mehrere Allgemeinmediziner, schildert der Geschäftsleiter der Gemeinde, Marco Unruh. „Aber die sind voll, die nehmen keine Patienten mehr auf.“ Im Sinne der Daseinsfürsorge habe die Gemeinde deshalb mithilfe einer Agentur eine eigene Marke samt Webauftritt entwickelt. „Doktor Caius“ ist, angelehnt an die Geschichte der Gemeinde, eine fiktive Figur, die als Heiler wie Zuhörer den Menschen zur Seite stand.

„Wir suchen einen modernen Nachfolger mit den menschlichen Zügen von damals“, erzählt Unruh. Interessenten erwartet ein Rundum-Sorglos-Paket: Die Gemeinde baut dem neuen Arzt oder der neuen Ärztin eine nagelneue Praxis in einem schmucken Gebäude im Ortskern auf eigene Kosten aus. Kostenlose Mitgliedschaften im Sportverein oder bei der Blasmusik sind weitere Bonbons. Gefühlt umgarnt die ganze Gemeinde potenzielle Kandidaten: Auf der Webseite rücken Einwohner Hohenkammer ins beste Licht. „Hier hat man alles, was man braucht. Nur ein Arzt oder eine Ärztin fehlt noch, dann wäre es perfekt“, wird eine der Erzieherinnen der örtlichen Kita zitiert.

Eine massive Charmeoffensive - doch ob die hilft? Auch andere Kommunen in Bayern buhlen um eine ortsnahe medizinische Versorgung. Dabei gebe es in Bayern gar nicht weniger Ärztinnen und Ärzte als früher, betont Heise. „Was uns zu schaffen macht, sind zwei Trends: einerseits zur Teilzeit, andererseits zur Anstellung.“

Und auf dem Land kommt noch ein dritter Faktor zum Tragen, räumt Heise ein. Dort herrsche „durchaus noch die Erwartungshaltung bei den Patienten, dass der Arzt rund um die Uhr für sie bereit steht“. Doch längst nicht jeder wolle heutzutage noch beim Grillen im eigenen Garten gestört werden. Der sehnsüchtig erwünschte Kandidat für Hohenkammer müsste allerdings gar nicht erst selbst die Kohle anschüren: Zum Willkommenspaket gehört auch ein Besuch im Biergarten des örtlichen Schlosses.

© dpa-infocom, dpa:231029-99-744550/3

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