Geräumter Hof in Oberbayern:Bauern rücken mit 20 Traktoren an

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Traktoren-Demo: Während der Hof geschätzt wird, protestieren die Nachbarn auf der Straße gegen die Zwangsräumung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Am Tag nach der Zwangsräumung der Familie Forstmaier blockieren 50 Bauern mit ihren Traktoren die Straße vor dem Hof im Frauenneuhartinger Ortsteil Gersdorf.
  • Selbst der Bürgermeister eilt herbei. Er ist in Sorge, weil die Milch nicht ordnungsgemäß beseitigt wurde und weil die Tiere am Vorabend angeblich Medikamente bekommen haben sollen.
  • Der Anwalt des Jungbauerns will nun gegen das Amtsgericht Ebersberg Beschwerde einreichen.
  • Mit Zustimmung der Familie Forstmaier verwendet die Redaktion von heute an die richtigen Namen.

Von Korbinian Eisenberger

Der Morgen danach. Etwa 20 Traktoren und knapp 50 Männer und Frauen haben sich am Mittwoch auf der Straße vor dem Hof in Gersdorf versammelt. Die Stimmung ist aufgeheizt: "Wir werden nicht akzeptieren, dass hier so mit einer Familie umgegangen wird", sagt ein Nachbar. Er und die Bauern aus der Region haben sich mit der Familie Forstmaier verbrüdert. Dass die Nachbarn nach den Protesten bei der Zwangsräumung am ersten Tag nach ihrem Auszug erneut für die Jungbauern demonstrieren, liest Hans Forstmaier in einer Whats-App-Nachricht. Er wohnt mit seiner Familie nun 30 Kilometer entfernt in Unterreit bei Gars am Inn.

Seine Mutter, die Altbäuerin Gertraud Forstmaier, schiebt eine Schubkarre über den Hof, auf dem sie jetzt das Sagen hat. Im Stall ist nur das Hufscharren der Kühe zu hören. Am frühen Morgen habe das Vieh noch laut geschrien, erzählen Nachbarn. Anders als sonst kam der Milchfahrer am Mittwoch nicht. Der Liefervertrag sei beendet, sagt Hans Forstmaiers Ehefrau Rosi. Die Kühe müssen trotzdem gemolken werden, ihre Milch kippte Gertraud Forstmaier in die Odelgrube. Der Ertrag eines Tages: Es sind gut und gerne 800 Liter.

Reibereien bei Hofübergaben kommen immer wieder vor. Das Schauspiel, das sich in Gersdorf in diesen Tagen zuträgt, ist jedoch einzigartig. Fast ein ganzes Dorf solidarisiert sich mit einer Familie, der nach Einschätzung der Nachbarn Unrecht widerfährt. Gertraud Forstmaier und Rechtsanwalt Peter Hohlweg, der die Interessen des Altbauern vertreten soll, bekommen das zu spüren: Sie müssen sich am Mittwoch Buhrufe gefallen lassen. Eine Menschentraube versperrt die Zufahrt, als er mit seinem Auto an den Traktoren vorbei will. Er nimmt schließlich den Weg über den Hinterhof.

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Sogar Frauenneuhartings Bürgermeister Eduard Koch ist da. Er ist in Sorge, weil die Milch nicht ordnungsgemäß beseitigt wurde. Und weil die Tiere am Vorabend angeblich Medikamente bekommen haben sollen.

"Ich werde jetzt nicht mehr nachgeben."

Gegen Mittag zieht Regen auf. Die Traktoren verschwinden allmählich wieder in den Garagen. Gertraud Forstmaier ist jetzt alleine in ihrem Hof. Sie öffnet die schwere Tür. Und nach einigem Zögern spricht sie auch. Die Altbäuerin hat ihr Kopftuch abgenommen. Ihre Augen wirken verquollen. "Ich habe das alles auch nicht gewollt", beteuert sie. Die Milch habe sie entsorgt, weil sie nicht habe ausschließen können, dass ihr Sohn den Kühen Antibiotika verabreicht habe. Hans Forstmaier dementiert das auf Nachfrage entschieden.

Gesprochen haben er und seine Mutter freilich schon seit längerem nicht mehr miteinander. Gertraud Forstmaier trägt eine Blümchenbluse und spricht mit zittriger Stimme. Sie wirkt nicht wie eine Frau, die ihre fünf Enkelkinder vom Hof geklagt hat. "Die Proteste machen mir auch ganz schön zu schaffen", sagt sie. Und dennoch sagt sie: "Ich werde jetzt nicht mehr nachgeben." Schuld daran, sagt die 68-Jährige, sei allein ihr Sohn. Den Hof soll nun eine der Töchter weiterführen. Bis dahin will sie sich zusammen mit ihrem Schwiegersohn und einem Enkel um den Betrieb kümmern.

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Das Haus ist leer, der geflieste Gang blitzblank. Gertraud Forstmaier steht im Wohnzimmer. Sie hat ihre Hände in die Hüften gestemmt und erzählt ihre Version davon, wie es so weit kommen konnte: "Bis vor zwei Jahren hätte ich den Hof noch übergeben lassen", sagt sie. Nach all dem, was passiert sei, habe sie aber ihre Meinung geändert. "Er hat nie auf meine Bedürfnisse Rücksicht genommen." Sie wirft ihrem Sohn vor, dass er bei den Plänen des Austragshauses nicht auf ihre Wünsche gehört habe. Es ging um Details, etwa darum, einen Baum zurückzuschneiden, damit die Sonne durch die Fenster scheint. Von den Kindern werde sie beschimpft. Und dann habe ihr Sohn vor elf Jahren auch noch die Hofpacht eigenmächtig gekürzt.

Anwalt des Jungbauern will gegen Amtsgericht vorgehen

Ihren Aussagen widersprechen die Jungbauern erwartungsgemäß. Dem Vernehmen nach haben beide Seiten einen gehörigen Anteil daran, dass das Zusammenleben am Forstmaier-Hof zu einer Zumutung wurde. Die Sympathien der Nachbarn gehören jedoch den Jungbauern und ihren fünf Kindern. Die menschliche Tragödie ist das eine. Die rechtliche Seite das andere.

Bereits im August 2012 hatte sich der damalige Chef des Amtsgerichts München, Gerhard Zierl, in seinem Urteil zu dem Fall geäußert. Damals standen die Jungbauern wegen ausstehender Pachtzahlungen vor Gericht, mussten sie letztlich zurückerstatten. Zierl empfahl, dass die Hofübergabe so schnell wie möglich in die Wege geleitet werden sollte. Der Räumungsklage von Gertraud Forstmaier gegen ihren Sohn gab das Münchner Landwirtschaftsgericht jedoch letztlich statt.

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Seit zwölf Generationen führen die Forstmaiers einen Bauernhof in Oberbayern. Der Betrieb floriert, doch eine 13. Generation wird es nicht geben. Die Altbäuerin hat sich mit ihrem Sohn überworfen und vor Gericht erzwungen: Die siebenköpfige Familie muss am 1. Advent ausziehen.

Von Korbinian Eisenberger

Der eigentliche Hofeigentümer Johann Forstmaier ist seit einem Unfall vor 20 Jahren schwer behindert und lebt inzwischen in einem Pflegeheim. Seine Frau Gertraud räumt inzwischen selbst ein, der 82-jährige Altbauer habe nicht gewollt, dass die Kinder und sein Sohn ausziehen. Zahlreiche Bekannte und Nachbarn hatten dies zuvor schon zu Protokoll gegeben.

Herwig Eder-Richter, der Anwalt des Jungbauern, leitete die Aussagen an das Amtsgericht Ebersberg weiter - ohne Ergebnis. Er fordert, Peter Hohlweg, der Ergänzungspfleger des Altbauern, solle seines Amtsenthoben werden. Eder-Richter kündigte am Mittwoch an, gegen das Amtsgericht Ebersberg eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Landgericht München II einzureichen. Das Schreiben soll dann auch über den Schreibtisch des bayerischen Justizministers Winfried Bausback gehen.

Anmerkung der Redaktion: Bislang hat Süddeutsche.de vom Oberhuber-Hof und der Familie Oberhuber berichtet. Da ihre wahren Namen durch das öffentliche Interesse und die zunehmende Berichterstattung in anderen Medien hinreichend bekannt sind, berichten auch wir jetzt nicht mehr unter Pseudonym.

© SZ vom 14.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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