Gedenken:Wo die Rosenbaums vor ihrer Flucht wohnten

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Gedenken an Benno und Martha Rosenbaum in Memmingen: Gunter Demnig, Künstler und Initiator der Verlegung von "Stolpersteinen". (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Im schwäbischen Memmingen wird das 75 000. Exemplar der Aktion "Stolpersteine" verlegt, das an Opfer und Verfolgte der Nazi-Diktatur erinnern soll

In Bayern, ganz Deutschland und zahlreichen weiteren Ländern Europas wird mit den sogenannten Stolpersteinen an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur erinnert. Nach der Verlegung des 75 000. Exemplars zum Jahresausklang in Memmingen möchte Künstler Gunter Demnig gerne noch viele Steine errichten - "und wenn die Knie mal nicht mehr mitmachen, dann komme ich eben mit meinem Rollator und meinem eingebauten Hammer und verlege die Steine so", sagte der 72-Jährige der Augsburger Allgemeinen. Er freue sich über jeden Namen, den er ins Bewusstsein zurückbringen dürfe. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist." Die meisten Opfer hätten weder Grab noch Grabstein. Mit dem "Stolperstein" hätten die Angehörigen wenigstens einen Ort zum Trauern.

Mit dem Projekt will der Aktionskünstler die Menschen über den Nazi-Terror in ihrer unmittelbaren Umgebung "stolpern" lassen. Die etwa zehn mal zehn Zentimeter große Pflastersteine werden vor früheren Wohnhäusern oder Geschäften von Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und Widerstandskämpfern in den Boden eingelassen. Darauf sind Messingtafeln mit biografischen Angaben der Ermordeten oder Verfolgten angebracht. Für 120 Euro kann jeder eine Patenschaft für Herstellung und Verlegung übernehmen. Die Aktion des Künstlers, der lang im Raum Köln lebte und nun in Hessen wohnt, ist allerdings nicht unumstritten. So hat sich etwa die Stadt München offiziell gegen die Verlegung entschieden. Die Begründung: Die Namen von Nazi-Opfern sollen nicht mit Füßen getreten werden. Auch in weiteren Städten wollte man lieber andere Formen des Gedenkens wählen.

Am Sonntag hatte Demnig in Memmingen den 75 000. Stolperstein gesetzt. Der "Jubiläumsstein" und ein weiterer Stein erinnern an das Schicksal von Martha und Benno Rosenbaum. Die Wohnung der Familie Rosenbaum in Memmingen war bereits 1938 von den Nationalsozialisten verwüstet worden. Vor einer möglichen Deportierung und Ermordung flohen sie 1941 nach Montevideo, wo sich Benno Rosenbaum 1944 das Leben nahm. Benno war 1883 in Memmingen geboren. Nach Angaben des örtlichen Vereins Stolpersteine hat er es nicht ertragen, dass er seine Geburtsstadt verlassen musste. "Erinnern ist notwendig für die wehrhafte Demokratie", sagte anlässlich des Jubiläums der Beauftragte der Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle. "Die Schicksale dieser Menschen dürfen uns nicht einerlei sein." Erst durch die Namen und Daten würden sie auch Vorübergehenden ins Bewusstsein kommen.

In dem früheren Haus der Rosenbaums befindet sich heute die Kanzlei von Christoph Maier, dem parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Landtag und Vertreter des völkischen "Flügels" der Partei. Der Ort sei gezielt ausgesucht worden, sagte Demnig. So gehe die Nachfrage in Regionen in Sachsen und Thüringen, wo die AfD stark ist, zurück. "Da wollten wir ein Zeichen setzen." Maier war für Nachfragen, wie er das Projekt einschätzt, auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung sowie der Deutschen Presse Agentur nicht zu erreichen.

Demnig will weitermachen, er sei "kontinuierlich unterwegs - 270 Tage im Jahr. Manchmal besuche ich drei Orte an einem Tag". Das Verlegen der Steine werde niemals zur Routine. "Jede Inschrift wandert zunächst als abstrakte Größe über meinen Rechner. Doch wenn ich dann vor dem Haus stehe und die Steine verlege, wird mir das Schicksal der Menschen erst so richtig klar."

© SZ vom 02.01.2020 / dpa, KNA, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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