Freie Wähler:Die Tristesse von Greding

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"Eigentlich wollten wir das Zünglein an der Waage sein": Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. (Foto: dpa)

"Wir haben uns gut geschlagen": Obwohl keiner mehr die Freien Wähler als Koalitionspartner braucht, verkündet Hubert Aiwanger auf der Landesversammlung Erfolge. Schuld am Wahldebakel seien die anderen Parteien. Das sehen viele in Bayern anders, scharfe Kritik kommt aus Franken.

Von Christian Sebald

Natürlich gibt sich Hubert Aiwanger auch selbstkritisch - kurz zumindest. "Eigentlich wollten wir das Zünglein an der Waage sein und heute entscheiden, mit wem wir Sondierungsgespräche für eine Koalition aufnehmen", sagt der Freie-Wähler-Chef am Samstag auf der Landesversammlung seiner Partei im mittelfränkischen Greding. "Aber wir sollten fair sein: Für neun Prozent wie bei dieser Landtagswahl wären wir vor sechs oder sieben Jahren barfuß nach Altötting gewallfahrt." Deshalb, so Aiwangers Botschaft, die er auch am Samstag wiederholt, sind die beiden Wahlen ein Erfolg für die Freien Wähler, "wir haben uns gut geschlagen".

Aber nicht nur das. Aus Aiwangers Sicht gibt es keinen Anlass zur Selbstkritik. Dass er gleich doppelt gescheitert ist - in Bayern, wo er mit einem Dreierbündnis mit SPD und Grünen oder mit der CSU regieren wollte, und im Bund, wo er die Fünf-Prozent-Hürde knacken wollte - das soll an diesem Samstag möglichst wenig eine Rolle spielen. Stattdessen sollen die Freien Wähler nach vorne sehen, die nächste Herausforderung ist die Kommunalwahl 2014.

Dabei lässt die Stimmung in Greding nicht wirklich einen Aufbruch erkennen, sie ist vielmehr richtig trist. So trist wie das Veranstaltungslokal, das eingekeilt zwischen einer Lkw-Werkstatt, einem Aquarium-Handel und einem Hersteller von Kühlgeräten für Bäckereien im Gredinger Gewerbegebiet liegt. Nur ungefähr 300 Freie Wähler sind zu dieser Landesversammlung erschienen, für gewöhnlich sind es wenigstens 500. Und von denen, die gekommen sind, erwarten sich viele eine Wahlanalyse und Selbstkritik, auch wenn das nur wenige richtig offen ansprechen.

Konzentration auf die Kommunalpolitik

Am deutlichsten werden die Franken. Sie stehen Aiwanger seit jeher am kritischsten gegenüben. Zum Beispiel Walter Schnell, der Freie-Wähler-Vorsitzende in Mittelfranken. "Wir sollten uns dringend fragen, warum wir uns im Landtagswahlkampf ausschließlich auf die Koalitionsfrage haben reduzieren lassen", ruft er ins Publikum, "und ob es reicht, dass wir nach außen nur von einem Aiwanger" und - in Anspielung auf den FW-Generalsekretär - "einem halben Piazolo vertreten werden". Auch der Oberfranke Manfred Hümmer fordert, "dass wir uns personell endlich breiter aufstellen müssen". Und Hümmer verlangt mehr Engagement in den Großstädten: So lange ein Spitzenkandidat Aiwanger "in Nürnberg nur vor 30 oder 40 Leuten spricht, legen wir in den Ballungsräumen nie zu".

In Unterfranken fordern derweil viele, dass Aiwanger Abschied nimmt von der Bundespolitik. Zwar traut sich auf der Landesversammlung keiner, das offen zur Diskussion zu stellen. Aber bei den Unterfranken ist der Ärger auf Aiwanger so groß, dass Bezirkschef Günther Felbinger demnächst eine eigene Versammlung dazu einberufen will.

In ihr sollen die Unterfranken, die sich hauptsächlich der Kommunalpolitik verpflichtet fühlen, Aiwanger mit ihrer Forderung konfrontieren. Aber auch der Mittelfranke Schnell sieht das Engagement im Bund äußerst kritisch. "Da haben wir überhaupt nicht klar machen können, warum man uns wählen soll", sagt er. "Das können wir nicht oft machen, dass wir unsere Leute so ins Messer laufen lassen."

Aiwanger lässt all das nicht gelten. Für ihn sind es vor allem die anderen, die den Freien Wählern den Erfolg vermasselt haben - der "Wohlfühl-Wahlkampf" von CSU-Chef Horst Seehofer, die "völlig überflüssige Steuerdebatte von Rot-Grün im Bund, die dann auch auf Bayern übergeschwappt ist", die Zuspitzung auf das Duell Merkel-Steinbrück, das plötzliche Erstarken der AfD. "Natürlich wollten wir gerne mehr", lautet Aiwangers Credo auch am Samstag, "aber es war extrem schwierig, mit unseren Themen die breite Bevölkerung zu erreichen."

Im neuen Landtag, da ist sich Aiwanger ganz sicher, "da werden wir wieder mit unseren Themen punkten" - ob in der Bildungspolitik oder bei der Energiewende. "Im Landtag haben wir beste Ergebnisse geliefert, wir müssen nichts korrigieren."

© SZ vom 07.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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