Fränkische Wirtshäuser:Gebräu, Gebrabbel und Geschichte

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Der Schlappeseppel in Aschaffenburg, der Johanniterbäck in Würzburg oder das Schlenkerla in Bamberg: Frankens Wirtshäuser punkten mit Originalität und Gemütlichkeit - nicht nur bei den Einheimischen.

Von Olaf Przybilla

Vielleicht beginnt man einen Überblick über fränkische Wirtshauskultur in Aschaffenburg, wo Bayern beginnt. Beziehungsweise, je nach Perspektive, wo es endet und angenehm eigenwillig ins Hessische ausfranst. In Aschäbäsch, wie der Einheimische sagt, haben die Leute ihre Sprache aus Mainz, ihr Geld aus Frankfurt und ihr Abitur aus Bayern - eine Kombination, die eine aparte Mischung Mensch zum Vorschein bringt, die man erlebt haben sollte und idealtypisch erleben kann: im Schlappeseppel, dem Wirtshaus schlechthin im Westen Unterfrankens.

Das klingt jetzt womöglich nicht so toll, westliches Unterfranken. Aber erstens ist den Aschaffenburgern so was herzlich egal, Selbstbewusstsein ist dort durchaus verbreitet. Und zweitens würden die beiden Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz, die zu den geistreichsten ihrer Zunft gehören, den Umkreis viel größer ziehen. Die Frage, warum sie eigentlich nach Aschaffenburg gezogen sind und also raus aus Frankfurt, aus der Stadt des Satiremagazins Titanic, beantworteten sie mal mit der Existenz des Schlappeseppels.

Ein paar Krüge, das war's

Der schönste im Umkreis von hundert Kilometern sei dieser schlichte Gasthof in der Nähe des Aschaffenburger Schlosses, sagten die beiden. Hört sich womöglich auch erst mal wie ein Na-ja-Superlativ an. Ist aber von Aschaffenburg aus betrachtet kein so unbedeutsames Zeugnis, immerhin schließt der Radius nicht nur Frankfurt ein, sondern auch die Landeshauptstädte Mainz und Wiesbaden und ein paar andere größere Städte. Der Sieger aber ist: Aschaffenburg, der Schlappeseppel.

Gut, das sagen Greser und Lenz. Aber können die das auch beurteilen? Können sie, keine Sorge. Und begründen können sie es auch: Dieser Rumor schon um die Mittagszeit, ein wunderliches Gebräu aus Gebrabbel, exaltierten Kartenspielreaktionssignalen, verfrühtem Suff und Extremäußerungen, das sei der Schlappeseppel. Sie seien so glücklich gewesen, als sie das Haus entdeckten und feststellten, dass die Wirtsfrau dort nicht gestalterisch tätig geworden ist, keine Figuren in den Fenstern standen, keine Getreidegarben an der Wand hingen und da nicht mal die Seuche mit den Deckchen losging. Allerlei Utensilien aus der alten Brauerei stehen auf der Holzvertäfelung, ein paar Krüge, das war's.

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Das Bier kommt nicht immer aus der eigenen Brauerei

Greser und Lenz, Träger des deutschen Karikaturenpreises, wären auch für den Band "50 historische Wirtshäuser in Unterfranken" gute Kronzeugen gewesen. Aber auch ohne sie wird man dort hinreichend in die Vorzüge des Schlappeseppels eingeführt. Der Legende nach war es Gustav Adolf von Schweden, der Geschmack bewies und nach der Eroberung Aschaffenburgs ins Schloss Johannisburg einzog, in die Zweitresidenz der Mainzer Kurfürsten also, der edelsten Fürsten des Reiches. Dumm nur, dass dort kein Bier mehr lagerte, weshalb der Schwedenkönig den Soldaten Joseph Lögler zum Brauen zwangsverpflichtet haben soll, der einer Kriegsverletzung wegen "schlappe Seppel" gehänselt wurde.

1803 verlieh Karl Theodor von Dalberg, der große Erzbischof, der Brauerei Schlappeseppel das Braurecht auf ewig, seither trinkt es sich dort ganz ausgezeichnet. Seit 2013 kann man sich im angrenzenden Brauereimuseum auch alte Fässer, Bottiche und das Originalrezept des schlappen Seppels anschauen. Das erwähnt das gut informierte Autorenkollektiv aus Denkmalpflegern, Kulturwissenschaftlern und Kunsthistorikern.

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Dass dort seit geraumer Zeit nicht mehr "Schlappeseppel", sondern ein Bier aus dem Umland ausgeschenkt wird, verschweigt der Band dagegen gnädig. Was aber zu verschmerzen ist: In der Tat hatte der Umstand zwar zu regionalen Verwerfungen geführt, der Schönheit dieses Hauses aber tut er keinen Abbruch.

Eine Auswahl von 50 historischen Wirtshäusern in Unterfranken kann nur lückenhaft sein, die acht Autoren machen das aber gut. In Würzburg etwa wird der Johanniterbäck gewürdigt, was nicht alle Bäck-Wirte der Stadt gleich glücklich machen dürfte. Die Bäcks sind ein Charakteristikum von Würzburg: Einst waren das Bäcker, die nebenberuflich Weinberge bewirtschafteten und im Laden zwischen den Broten auch einen ordentlichen Schoppen reichen durften.

Später konnte man in bestimmte Bäcks seine Brotzeit mitbringen und diese beim Schöppeln verzehren - die unterfränkische Antwort auf den altbayerischen Biergarten. Bis heute zählen die Bäcks zu den urigsten Häusern der Stadt. Dass im Buch die Wahl auf den Johanniter fiel, zeugt von Geschmack. Und der Maulaffenbäck, womöglich noch etwas berühmter, wird ja immerhin erwähnt.

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Ein gelungener Überblick

Auch sonst ist der Überblick gelungen, die wichtigen Häuser - der fränkisch edle "Anker" in Marktheidenfeld, das schmucke "Hotel zur Schwane" in Volkach - sind ausreichend gewürdigt. Auch im analogen Band "50 historische Wirtshäuser in Oberfranken" findet man die Klassiker aufgeblättert: Kein solches Buch ohne das Bamberger "Schlenkerla", natürlich. Die Alte Klosterbrauerei in Vierzehnheiligen fehlt ebensowenig wie das stilsicher runderneuerte Goldene Kreuz in Coburg und die urige Staffelberg Klause bei Bad Staffelstein, die man übrigens entgegen anderslautender Gerüchte auch ohne das Frankenlied auf den Lippen betreten darf.

Klar, auf diese einschlägigen Häuser in Bamberg, Staffelstein bei Banz, Vierzehnheiligen würden selbst Oberfranken-Ignoranten kommen. Die Qualität solcher Bände bemisst sich daran, ob dort Häuser beschrieben sind, die vor allem Eingeweihte kennen. Ein Lackmus-Test für Oberfranken: Ist die famos gemütliche "Harmonie" im Ort Lichtenberg hinreichend gewürdigt, über dem Höllental gelegen, kurz vor der Grenze zu Thüringen? Ist sie. In der Stube finden nur 36 Personen Platz, weshalb dort mitunter eine für Oberfranken eher unübliche Schlacht um den Stuhl zu beobachten ist. Diese Schlacht aber lohnt sich.

"50 historische Wirtshäuser in Unterfranken" und "50 historische Wirtshäuser in Oberfranken". Beide im Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2015.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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