FKK-Slackliner Alexander Schulz:Nackter Wahnsinn

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302 Meter auf einem wackligen Gurtband: Alexander Schulz ist die längste Polyester-Slackline der Welt gelaufen. Jetzt hat er eine neue Herausforderung gefunden: das Nackt-Slacklinen.

Annika Willer

Ein junger Mann balanciert auf einer Slackline. Die Knie gebeugt, die Arme gehoben, der Blick starr - voller Konzentration. Er ist nackt. Der Slackliner heißt Alexander Schulz und kommt aus Rosenheim.

Selbst am Laber in den Ammergauer Alpen lässt es sich Nackt-Slacklinen - trotz Schnee. (Foto: Johannes Olszewski)

Der 20-Jährige ist ziemlich gut in seinem Sport. Gerade ist er die längste Polyester-Slackline der Welt gelaufen: 302 Meter auf wackligem, schwerem Gurtband über eine Wiese. Er hält auch den Weltrekord für die längste Highline von 115 Metern Länge, hat Rekorde auf "Lines" nahe über dem Wasser aufgestellt - das heißt dann Waterline. Und ab und an geht er nackt auf die Slackline.

Das Gefühl ist viel freier. Man fühlt sich selbst und die Umwelt intensiver", erklärt Alexander. Der bloße Körper verstärke das Gefühl von Schutzlosigkeit und Ausgesetztheit. Man spürt den Wind.

Nackt will man erst recht nicht stürzen, die Haut soll nicht mit Waldboden, Schnee oder der straff gespannten, ausschlagenden Slackline kollidieren. Das täte weh, mehr als ein Sturz mit Kleidung. So intensiviert sich die Anspannung. Alexander sagt: "Man ist sehr wach. Und unglaublich konzentriert."

Der Slackliner hat ein herzliches Lächeln, sehr braun gebrannte Arme und sonnenblonde Zauselhaare. Eine bunt-karierte Shorts und lila Sneaker lassen ihn jugendlich wirken - wäre da nicht dieser durchdringende Blick. Er fixiert sein Gegenüber, achtet genau darauf, was er sagt. "Ich kenne niemanden, der so genau weiß, was er will, wie Alex", sagt sein Slackline-Freund Johannes Olszewski über ihn.

Auch Johannes steigt ab und an ohne Kleider auf die Slackline. "Es ist auch eine psychische Sache", erklärt Johannes, "dass man es kann, egal ob man angezogen ist oder nicht." Für die beiden ist das nackte Slacklinen auch eine neue Herausforderung.

Außenstehende reagierten auf die Nacktheit beim Sport mit viel Unverständnis, das erzählen die beiden jungen Männer. Sie haben mit einem dritten Freund eine Website, auf der sie Fotos und Berichte von ihren gemeinsamen Aktionen zeigen: auf schmalen Bändern über unendlichen Schluchten, im Bulgarien-Slackline-Urlaub, oder auch mal nackt im Schnee.

Es sind Bilder und Texte, die nicht nur einen spektakulären Sport dokumentieren, sondern auch das Drumherum: Kochen in kleinen Hütten. Gemeinsame Anstrengungen dabei, Highlines von einer Felswand zur nächsten zu spannen. Eine geteilte Leidenschaft. Und Freundschaft. Johannes hat es für sich entdeckt, zu fotografieren und filmen: Sein Video über Alexanders 300-Meter-Rekord hatte schon am ersten Tag mehr als zweitausend Klicks.

Das Schwierige an einer solchen Longline ist die Schwungmasse", erklärt Alexander. Je länger die Slackline ist, desto weiter schwingt sie zu den Seiten aus. Und je schwerer sie ist, desto kräftiger werden die Seitenbewegungen, die der Läufer kontrollieren muss.

Alexander Schulz
:Nackt auf der Slackline

302 Meter auf einem wackligen Gurtband: Alexander Schulz ist die längste Polyester-Slackline der Welt gelaufen. Jetzt hat er eine neue Herausforderung gefunden: das Nackt-Slacklinen.

Polyester-Slacklines sind aus schwerem Material, und daher schwieriger zu laufen. Wer einmal auf einer - wenn auch ganz kurzen - Slackline stand, kann erahnen, wie sich das anfühlt: Die Knie wackeln, die Beine werden instabil, das Band schwingt hin und her, als wollte es einen abwerfen. "Man braucht viel Körperspannung, es ist sehr anstrengend und energieraubend", sagt Alexander und fügt lächelnd an: "Danach war ich unglaublich fertig."

Slacklinen ist für Alexander Schulz nicht nur ein Sport, sondern eine Lebenseinstellung. Es geht auch darum, die eigenen Grenzen auszuloten. (Foto: Johannes Olszewski)

Einmal auf der Rekord-Slackline hin- und herzulaufen hat 45 Minuten gedauert. Auf dem Video lässt sich beobachten, wie quälend langsam er einen Fuß vor den nächsten setzt, sich mit den Armen ausbalanciert. Die Slackline hebt und senkt sich wie ein Schiff auf Wellen, und Alexander macht die Bewegung mit.

Während die Endpunkte der Slackline auf etwa vier Meter Höhe sind, wird das Band vom Läufer in der Mitte der Distanz fast bis auf den Boden durchgedrückt. Alexander wirkt dabei unglaublich gefasst. Das wiederholt sich, wenn er spricht: ruhig, mit minimalen Gesten.

Man tastet sich da so ran", erklärt der Sportler, "man denkt sich: Das ist sicher noch nicht das Limit. Vielleicht kannst du noch 50 oder 100 Meter drauf legen." Alexander hat vergangenes Jahr Abitur gemacht und möchte im Herbst anfangen, Sport zu studieren.

Das vergangene Jahr hat er sich Zeit genommen, um zu reisen, Slacklinen zu gehen und zu trainieren: Für die Longline etwa mit künstlich beschwerten Slacklines. Dazu wird etwa unter eine Slackline eine zweite geklebt, um Gewicht und Schwung eines längeren Seils zu suggerieren.

Schon in dieser Woche wird Alexander einen neuen Rekord versuchen: Er will die längste Waterline laufen, das heißt auf einer Slackline, die dicht über dem Wasser gespannt ist. Die müsste dann 170 Meter lang sein. "Beim Slacklinen orientiert man sich an der Umgebung - wenn die zum Großteil aus Wasser besteht, irritiert das komplett", sagt er.

Alexander ist vor etwa vier Jahren zum Slacklinen gekommen: Seine Mutter hatte ihn dazu gebracht. Er kommt aus einer sportlichen Familie und hatte zuvor schon viel ausprobiert, aber nichts packe ihn so richtig. "Slacklinen ist das erste, wo ich selbst dabei geblieben bin - und jetzt bestimmt es mein Leben", sagt er.

Slacklinen ist für Alexander und Johannes nicht nur ein Sport, sondern eine Lebenseinstellung; zu der es gehört, die eigenen Grenzen ausloten. Durch Rekord-Slacklines. Durch Highlines in atemberaubenden Szenerien. Oder durch ein bisschen nackte Haut.

Weitere Informationen unter www.oneinchdreams.com.

Der Text stammt von der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Weitere Infos unter www.sz-jugendseite.de.

© SZ vom 29.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Alexander Schulz
:Nackt auf der Slackline

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