Finanzskandal:Bistum Eichstätt verteidigt seinen Bischof

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Verlorenes Vertrauen wollen die Geistlichen im Bistum Eichstätt nach dem Finanzskandal zurückgewinnen. (Foto: dpa)
  • Eine Finanzaffäre sorgt im Bistum Eichstätt für große Unruhe.
  • Schuld ist aus Sicht des Bischofs ein ehemaliger Mitarbeiter. Die Kirche wirft ihm vor, er habe ab 2014 Dutzende ungesicherte Darlehen für US-Immobilienprojekte gewährt.
  • Der Ex-Mitarbeiter beharrt hingegen darauf, dass das Bistum einen riskanten Kurs verordnet habe. Das Bistum widerspricht und verteidigt seinen Bischof.

Von Nicolas Richter und Katja Riedel, München

Als das Bistum Eichstätt jüngst den Finanzbericht für 2017 vorlegte, schrieb Bischof Gregor Maria Hanke, er hoffe, "verlorenes Vertrauen" wiederzugewinnen. Er spielte auf eine kostspielige und peinliche Finanzaffäre an, die im Bistum seit Monaten für große Unruhe sorgt: Dubiose Geldanlagen in den USA könnten einen Schaden in Höhe von Dutzenden Millionen Euro verursachen.

Schuld ist aus Sicht des Bischofs ein ehemaliger Mitarbeiter, der von 2014 bis 2016 "fragwürdige Kreditgeschäfte" gemacht habe. "Es bleibt für mich tief beschämend", schreibt der Bischof, "dass einer unserer Mitarbeiter das in ihn gesetzte Vertrauen ausgenutzt und dem gesamten Bistum massiv geschadet hat." Die Kirche wurde demnach vom eigenen Mann hintergangen.

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Die Diözese war zuletzt wegen fragwürdiger US-Immobilienanlagen in den Schlagzeilen. Ein zweistelliger Millionenbetrag ist möglicherweise verloren.

Der frühere Mitarbeiter, gegen den die Staatsanwaltschaft München II wegen Verdachts der Untreue und der Bestechlichkeit ermittelt, setzt sich nun zur Wehr. Sein Verteidiger, Ulrich Ziegert, wirft der Diözese vor, ein Renditeziel von acht bis zehn Prozent nach Inflation festgelegt zu haben. Das Bistum habe dadurch "seine Gier, nicht aber seine konservative Anlageorientierung" dokumentiert, erklärt Ziegert auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung und des WDR. Die erwarteten Renditen seien nur mithilfe "riskanter Anlageformen" zu erreichen.

Das Bistum widerspricht und wirft dem Beschuldigten vor, er bediene sich "wissentlich der Unwahrheit, um den Bischof von Eichstätt zu schädigen und von eigenem Fehlverhalten abzulenken".

Beide Seiten stützen ihre Sicht auf Protokolle eines Gremiums, das in Eichstätt über die Kirchenfinanzen wachte. Dieser Verwaltungsrat besteht aus mehreren hochrangigen Geistlichen, anfangs gehörte auch der Bischof dazu.

In der Sitzung vom 5. Mai 2009 wird tatsächlich die Zahl genannt, die der Beschuldigte jetzt nennt: Demnach ist die Verwaltung besorgt wegen steigender Inflation nach der Finanzkrise; sie schlägt vor, das Hunderte Millionen Euro schwere Vermögen mehreren Banken anzuvertrauen, für eine "professionelle Vermögensverwaltung". Ziel sei eine "angemessene Rendite" von inflationsbereinigt acht bis zehn Prozent pro Jahr. Der Rat macht sich dieses Renditeziel allerdings nicht zu eigen und beauftragt die Verwaltung nur, Banken anzusprechen.

So beginnt ein mehrjähriger Prozess, in dem der Rat immer wieder über Rendite und Risiken berät. Ende 2009 verabschiedet der Rat zum ersten Mal ein verbindliches Renditeziel: Der Ertrag solle "signifikant" über dem für drei- bis fünfjährige deutsche Staatsanleihen liegen, also zwei bis drei Prozentpunkte höher. Auch will der Rat die Anlagen breiter streuen, um das Risiko zu senken.

Ende 2011 nimmt zum ersten Mal der heutige Beschuldigte an der Ratssitzung teil, in der Eigenschaft als externer Berater. Er bietet eine gründliche Analyse an und legt im Mai 2012 das Ergebnis vor. Auch er plädiert dafür, die Risiken zu minimieren. Daraufhin beschließt der Rat eine Zielrendite von zwei Prozentpunkten über der Inflationsrate. Der Bischof schreibt dieses Ziel Ende 2014 in seiner Anlagerichtlinie fest.

Aus diesem Ablauf ziehen beide Seiten jetzt gegensätzliche Schlüsse. Die Kirche betont, dass eine Rendite von acht bis zehn Prozent nie beschlossen worden sei, stattdessen Staatsanleihen oder Inflation plus zwei bis drei Prozent. Dies sei "angemessen" und habe etwa 2014 zu einem Renditeziel von 2,9 Prozent geführt.

Der Ex-Mitarbeiter beharrt hingegen darauf, dass das Bistum einen riskanten Kurs verordnet habe. "Zwei bis drei Prozent über Staatsanleihe oder Inflation erzielt der konservative Sparer nicht", schreibt dessen Anwalt. "Derartige Renditen können nur, wie geschehen, über eine Beimischung riskanter Anlageformen erwirtschaftet werden." Das Bistum habe dies gewusst; in der vom Bischof Ende 2014 gebilligten Anlagerichtlinie sei ausdrücklich ein Risikobudget von fünf Prozent vorgesehen, was bedeute, dass das Bistum Verluste von 15 Millionen Euro pro Jahr in Kauf genommen habe.

Der beschuldigte Mitarbeiter war zunächst Berater des Bistums und dann von 2014 bis 2016 als Angestellter mitverantwortlich für die Finanzen. Die Kirche wirft ihm vor, er habe ab 2014 Dutzende ungesicherte Darlehen für US-Immobilienprojekte gewährt, im Wert von insgesamt 60 Millionen Dollar; ein solches Risiko sei "unter keinem denkbaren Gesichtspunkt" vertretbar oder mit den Richtlinien vereinbar gewesen. Außerdem habe sich der Mitarbeiter dabei mutmaßlich selbst bereichert, weshalb die Staatsanwaltschaft auch wegen Verdachts der Korruption ermittelt - was der Beschuldigte bestreitet.

Dem Bistum zufolge fehlte es damals an der nötigen Aufsicht; der Finanzdirektor habe die US-Immobiliendeals "noch nicht einmal ansatzweise beurteilen können". Diese Darstellung einer ahnungslosen Kirche will der Beschuldigte nicht stehen lassen. Schon vor Beginn seiner Tätigkeit in Eichstätt habe sich das Bistum für riskante Investitionen in Schiffe entschieden und damit mehrere Millionen Euro verloren, lässt er erklären. Er habe sich ausdrücklich gegen diese Art der Geldanlage ausgesprochen. Aus Sicht des Bistums fällt dieses verlustreiche Investment tatsächlich in die Verantwortung des damaligen, angeblich überforderten Finanzdirektors. Dessen Rolle ist bisher unklar. Die Staatsanwaltschaft führt ihn bisher nur als Zeugen.

Wie groß der Schaden für das Bistum ist, lässt sich noch nicht ermitteln. Der Beschuldigte erklärt, bei seinem Ausscheiden Ende 2016 seien bei den US-Anlagen weder Zinszahlungen ausgeblieben noch Kapitalverluste eingetreten. Im Bistum heißt es, mittlerweile seien Darlehen in Höhe von 24 Millionen Dollar nicht rechtzeitig zurückgezahlt worden.

Das Bistum will jetzt vor allem den Bischof in Schutz nehmen. Im Bayerischen Rundfunk hatte der Verteidiger des Beschuldigten gesagt, die Diözese habe "nicht konservativ angelegt, und das eben auch unter federführender Beteiligung des Bischofs". Das Bistum weist dies zurück: Der Bischof sei schon seit Ende 2011 nicht mehr Mitglied im Vermögensverwaltungsrat; er habe die Investitionen in den USA von 2014 bis 2016 nicht gebilligt. Der Bischof legt Wert darauf, dass er sich der Transparenzoffensive der katholischen Kirche angeschlossen und die Finanzen durch professionelle Betriebsprüfer habe untersuchen lassen. Dabei seien die verdächtigen US-Geschäfte erst aufgefallen.

© SZ vom 29.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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