Alle kommen sie nochmals an den Ort, wo die tödlichen Schüsse fielen: die damals beteiligten Polizeibeamten, die Sanitäter, der Notarzt. Mit einem offensichtlich immensen Materialaufwand wurden am Dienstag unter der Leitung der Regensburger Staatsanwaltschaft und streng bewacht von Dutzenden Polizisten die tödlichen Schüsse auf den Studenten Tennessee Eisenberg nachgestellt.
Der 24-Jährige war am 30. April auf der Treppe vor seiner Regensburger Wohnung von insgesamt zwölf Polizeikugeln getroffen worden. Bislang gehen die Ermittler davon aus, dass die Beamten aus Notwehr geschossen haben, schließlich soll Eisenberg mit einem Küchenmesser in der Hand auf die Polizisten zugegangen sein.
Aufgrund unterschiedlicher Aussagen und der Spurenlage vermuten die Rechtsanwälte der Angehörigen des getöteten Studenten aber, dass zumindest die letzten, tödlichen Schüsse nicht gerechtfertigt waren, da Eisenberg zu dem Zeitpunkt schon schwerverletzt war und sich kaum noch bewegen konnte.
Die entsprechenden Blutspuren waren nach Meinung der Anwälte und eines von ihnen beauftragten Rechtsmediziners von den Ermittlern bislang nicht beachtet worden. Die Anwälte hatten auch die große Eile bei den ersten Tatortarbeiten im April kritisiert. Innerhalb von Stunden waren die Untersuchungen abgeschlossen gewesen.
Um die unterschiedlichen Aussagen und Bewertungen besser einschätzen zu können, schlugen die Anwälte im Sommer schließlich eine Rekonstruktion der Tat vor, die jetzt in Eisenbergs Haus in der Schwandorfer Straße 11 stattfand. Zuvor hatten 400 Demonstranten in Regensburg eine transparente Aufklärung des Vorfalls gefordert. Angesichts der angespannten Situation in der Stadt äußerten am Dienstag einige Polizisten Erleichterung über die Rekonstruktion. Dies sei hilfreich für alle Beteiligten.
Zeugen hinter abgeklebten Scheiben
Um Schaulustige und Journalisten abzuwehren, waren am Dienstag mehrere Straßen rund um das gelb gestrichene, heruntergekommene Haus abgesperrt, bereits in der Nacht hatten vor dem Tatort mehrere Polizeiwagen Posten bezogen. Eine Seite des Gebäudes und der Hof waren vom Technischen Hilfswerk aufwendig mit meterhohen Planen verhängt, und die Polizei hatte eine eigene Pressestelle am Ort des Geschehens aufgebaut, um Fragen zu beantworten.
Der Reihe nach wurden die Zeugen in Zivilfahrzeugen mit abgeklebten Scheiben hinter den Sichtschutz gefahren: Die an dem Tag eingesetzten Polizisten, wahrscheinlich auch der Mitbewohner Eisenbergs, der an dem Tag die Polizei gerufen hatte, sowie die Rettungssanitäter und der Notarzt, die sich unmittelbar nach den Schüssen um den sterbenden Mann kümmerten.
Nicht vor Ort waren dem Vernehmen nach die beiden Beamten M. und S., die geschossen hatten und gegen die derzeit wegen Verdacht des Totschlags ermittelt wird. Allerdings waren ihre beiden Verteidiger anwesend, wie auch die drei Rechtsanwälte der Familie und ihr Gutachter.
Die Zeugen mussten jeweils versuchen, mit eigens dafür eingesetzten Komparsen den Ablauf der Tat genau nachzustellen. Anschließend versuchten Schussspezialisten des Landeskriminalamtes die Flugbahnen der insgesamt 16 abgefeuerten Kugeln zu rekonstruieren. Zu den Ergebnissen dieser Nachstellung wollte die Staatsanwaltschaft am Dienstag nichts sagen. Die Erkenntnisse würden in die Entscheidung über eine Anklage einfließen.